Piotr Anderszewski im Interview
« Mein Klangideal ist die Stille. »
Piotr Anderszewski gehört zu den prominentesten Pianisten seiner Generation und ist in allen großen Konzertsälen dieser Welt regelmäßig zu Gast. Dabei konzertierte er bereits mit den Berliner Philharmonikern, dem London und dem Chicago Symphony Orchestra, dem Royal Concertgebouw Orchestra und der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, die er auch selbst vom Klavier aus leitete. Rezitale führten ihn ins Londoner Barbican Centre und die Royal Festival Hall, ins Wiener Konzerthaus, in die Carnegie Hall und in die Hamburger Laeiszhalle.
Classicpoint.net: Sie haben vor einiger Zeit ein halbes Jahr keine Konzerte gegeben, um sich zu erholen und neue Kraft zu finden. Haben Sie sich in dieser Auszeit verändert?
Nein, ich habe keine Veränderung wahrgenommen.
Was ist Ihnen bei der Interpretation eines Werkes am wichtigsten?
Am wichtigsten ist mir, dass das Werk lebendig, persönlich und authentisch interpretiert wird.
Sie haben einen sehr grossen Anspruch an sich selbst. Bleibt dieser Anspruch immer gleich oder verändert er sich mit dem Älterwerden?
Natürlich verändert sich das mit dem Alter. Man wird anspruchsvoller bei gewissen Sachen und weniger kritsch bei anderen. Man entwickelt sich, das ist normal.
Spielen Sie lieber live oder im Studio?
Das sind zwei verschiedene Sachen, die man nicht vergleichen kann. Deshalb kann ich mich auch nicht für eines entscheiden.
Wie würden Sie Ihr Klangideal beschreiben?
Die Stille.
Als Pianist ist man auch viel alleine. Wie gehen Sie mit dieser Einsamkeit um?
Es gibt tausend Möglichkeiten, die Einsamkeit zu überwinden: die Bücher, die Meditation, die Gedankenwelt, die Küche, der Wein.
Sie leben in Lissabon und Paris, wenn Sie nicht gerade unterwegs sind. Wo fühlen Sie sich zuhause?
Ich fühle mich bei mir, wo immer ich bin.
Sie lesen viel. Welche Bücher sind derzeit auf Ihrer Warteliste?
Es gibt so viele Bücher, die ich gerne lesen möchte...
Sie haben zudem einen Film über Warschau gedreht: Je m'appelle Varsovie. Können Sie uns darüber etwas erzählen?
Es ist ein sehr persönlicher Film. Warschau ist meine Geburtsstadt. Diese Stadt hat mich sehr geprägt. Mit diesem Film wollte ich mich von einer Bürde befreien. Es war eine Art Selbsttherapie. Es sind persönliche Bilder der Stadt, mit denen ich auszudrücken versuche, was ich dafür spüre.
Interview von Florian Schär | Classicpoint.net | 1.7.2018
© Foto: Simon Fowler
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