Sebastian Knauer im Interview
«Ich fahre auf Sicht. »
Seit seinem Konzertdebüt mit 14 Jahren in der Laeiszhalle seiner Heimatstadt Hamburg kann Sebastian Knauer inzwischen auf eine über 30 Jahre dauernde Konzertkarriere zurückblicken.
In über 50 Ländern auf 4 Kontinenten hat Sebastian Knauer konzertiert, mit Auftritten in Sälen wie der Berliner Philharmonie, dem Gewandhaus Leipzig, dem Concertgebouw Amsterdam, der Wigmore Hall London, dem Théatre des Champs-Elysées Paris, der Tonhalle Zürich, dem Wiener Konzerthaus, dem Lincoln Center New York, dem Harris Theater Chicago, dem National Center for Performing Arts Peking und der Toppan Hall Tokyo.
Er ist regelmäßiger Gast auf Festivals wie in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und im Rheingau, bei den Dresdner Musikfestspielen, beim Klavierfestival Ruhr, Beethovenfest Bonn, der Schubertiade Hohenems, den Salzburger Festspielen, in Gstaad, Montreux, Meran, Bath, Ravinia, Savannah oder Shanghai.
Im folgenden Interview spricht Sebastian Knauer über seinen Weg zum Pianisten, seine Festivals, unter anderem wie er auf die Ideen kam, und über die Zukunft der klassischen Musik.
Sie kommen aus einer Kaufmann-Familie. Wie sind Sie zum Pianisten geworden?
Die Kaufmanns Zeiten der Familie Knauer liegen schon eine ganze Weile zurück. Der Ursprung unserer Familie liegt zeitlich in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Der Gründer unserer Familie war damals tatsächlich ein sehr erfolgreicher und wohlhabender Kaufmann. Allerdings gab es nicht ein spezielles Unternehmen, welches dann über die weiteren Generationen fortgeführt werden konnte, so wie man es ja eigentlich aus Familienunternehmen kennt. Ausserdem muss es irgendwann ein Ereignis gegeben haben, in der ein grosser Teil des Vermögens verschwand. Bis heute haben wir nicht herausgefunden, was es gewesen sein könnte.
Daher stamme ich persönlich aus einer Familie, die nicht kaufmännisch, sondern eher journalistisch gesprägt war.
Zusätzlich gab es dann noch private musikalische Ambitionen und somit bin ich dann wohl mit einer musikalischen Ader geboren und damit zum Klavier gekommen. Für mich stand schon mit 4 Jahren fest: „Ich will Pianist werden!“
Sie geben immer wieder Kompositionen in Auftrag. Was ist Ihnen dabei wichtig?
Mir ist vor allem zunächst einmal wichtig, dass mir die Musik des Komponisten gefällt.
Dann ist es mir wichtig, dass die von mir in Auftrag gegebene Komposition in einen Kontext steht, z.B. zu meinem übrigen Repertoire, mit dem ich dann das neue Werke für ein Konzertprogramm kombinieren kann, oder aber eben wie Falle des neuen Werks von Arash Safaian, im Kontext zu einem Komponisten, der mir sehr am Herzen liegt. Sehr wichtig für mich ist auch, dass das neu komponierte Werk vom Publikum so aufgenommen wird, wie von mir persönlich, soll also heissen, das Publikum soll nach einem Konzert mit dieser Musik begeistert nach Hause gehen!
Sie haben mit Schauspielern zusammen das Format «Wort trifft Musik» erschaffen. Können Sie uns etwas dazu sagen?
Vor ziemlich genau 20 Jahren hatte ich den Wunsch, die berühmte Geschichte „Ein Winter auf Mallorca“, also vom Aufenthalt Frédéric Chopins zusammen mit George Sand im jahre 1838 in Valdemossa, in Wort und Musik aufzunehmen und aufzuführen. Dieses Format war zwar nicht neu, doch habe ich mir ein neues Textmanuskript schreiben lassen, welches auf dem gleichnamigen Buch und der Autobiographie von George Sand basierte. Mein Wunsch war damals, unbedingt Hannelore Elsner für die Textlesung zu gewinnen. Es klappte dann nach einigen Anläufen, und seither habe ich in über 30 selbst konzipierten „Wort trifft Musik“ Projekten einige Hundert Auftritte mit diesem Format absolviert. Es fasziniert mich, mit grossartigen Schauspielern zusammen auf der Bühne zu stehen, und ich habe das Glück mit eben wunderbaren Persönlichkeiten dieses Genres zusammenarbeiten zu dürfen. Hannelore Elsner war bis zu ihrem Tod eine ganz enge Partnerin auf der Bühne, aber auch mit Martina Gedeck, Iris Berben, Hannelore Hoger, Katja Riemann, Ulrich Tukur und Klaus Maria Brandauer verbinde ich inzwischen eine enge freundschaftliche Zusammenarbeit.
Sie haben verschiedene Festivals gegründet und leiten diese künstlerisch. Können Sie uns diese vorstellen?
Das Festival „mozart@augsburg“ habe ich 2010 gegründet. Als damals ein kleineres Festival vor Ort in finanzielle Schwierigkeiten geraten ist und nicht mehr weitermachen konnte, hatte ich spontan die Idee, an diesem wichtigen historischen Ort in Deutschland selbst ein Festival auf die Beine zu stellen. Die Herkunft der Familie Mozart ist ja bekanntlich Augsburg. Und genau das war mein Ansinnen, nämlich durch ein Festival die Mozartstadt Augsburg international bekannt zu machen. Mir ist es gelungen, mehr oder weniger jeden grossen Künstler der klassischen Konzertwelt dorthin einzuladen, und nachdem wir zuletzt eine kleine Pause eingelegt hatten, werden wir 2021 mit einem neuen und sehr schönem Programm erneut starten.
Die internationale Musikfestwoche auf Schloss Bad Berleburg, dem Wohnsitz der dänischen Prinzessin Benedikte gibt es ja bereits seit fast 50 Jahren.
Hier ergab sich, dass ich vor zwei Jahren die künstlerische Leitung übertragen bekommen habe.
Es ist ein ganz besonderer Ort, und das Ambiete der Konzerte im Schloss begeistert.
Das Festival „Ludwig FUN Beethoven“ habe ich anlässlich des 250. Geburtstages von Beethoven für die Stadt Aachen konzipiert. Und es war eigentlich alles in den Startlöchern für die erste Ausgabe des Festival im April diesen Jahres, doch dann kam ja bekanntlich die Corona-Krise, und wir mussten das Festival absagen und nach 2021 verschieben.
Bei diesem Festival steht natürlich Beethovens Musik im Mittelpunkt, und wird an 8 verschiedenen Konzertorten in der Stadt Aachen an 4 Tagen veranstaltet.
Die Idee dabei ist, dass die Menschen jedes Konzert mehr oder weniger zu Fuss erreichen können, und damit das ganze Angebot wahrnehmen können. Es wird von der Solosonate bis zur Sinfonie fast jede Gattung des Beethovenschen Werks zu hören sein, aufgeführt von grossartigen Künstlern wie dem Beethoven Orchester Bonn, Albrecht Mayer, Martin Stadtfeld, Jan Vogler, Daniel Hope, Simone Kermes, Klaus Maria Brandauer uvm…
Sie können immer wieder einzigartige Programme zusammenstellen und graben alte Werke neu aus? Auf welche Programme sind Sie besonders stolz? Sie bezeichnen sich als Lebe-Mensch. Wieviel Zeit haben Sie als Konzertpianist überhaupt noch für anderes?
Als Pianist der klassichen Musik spielt man ja im Prinzip ein Repertoire, welches teilweise bereits seit Jahrhunderten vorhanden ist. Und man kann diese Musik nicht neu erfinden, Das heisst, dass ein Bach-Konzert ein Bach-Konzert bleibt, oder eine Beethoven-Sonate eben eine Beethoven-Sonate. Wir Interpreten können diese Musik nicht neu erfinden, auch wenn es immer wieder solchen Versuche gibt. Ich persönlich stelle mich als Interpret gerne hinter den Komponisten und sehe eigentlich meine Aufgabe darin, nicht meine eigene Person darzustellen, sondern das Werk des Komponsiten dem Publikum so zu präsentieren, dass dieses berührt und begeistert ist.
Und da kann eine besondere Zusammenstellung der Werke durchaus Wunder bewirken. Sei es, dass man die Werke von Bach und seiner Söhne gegenüber stellt, oder auch das letzte Klavierkonzert von Mozart gegenüber dem ersten von Beethoven.
Mir macht es grossen Spass, besondere Inhalte zu konzipieren und merke auch, dass das Publikum dieses dankbar aufnimmt.
Und was meine persönliche Zeiteinteilung betrifft, nehme ich mir auf jeden Fall immer genug Zeit für Freunde und gewisse Hobbys, vor allem aber für die Familie.
Sie setzen sich dafür ein, klassische Musik einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Wieviel Zukunft geben Sie diesem Musikstil, sagen wir mal, in den nächsten 100 Jahren?
Auch in 100 Jahren werden die Menschen noch voller Faszination, Rührung und Begeisterung der klassichen Musik zuhören – da bin ich mir sicher.
Einen Bach hören wir jetzt seit fast 350 Jahren, einen Beethoven seit 250 Jahren. Das zeigt, wie unsterblich diese grossartige Musik ist. Und wenn wir uns weiterhin dafür einsetzen, einem jungen Menschen, bzw. einem Kind, den Zugang zur Klassik zu ermöglichen, damit es selber später entscheiden kann, diese Musik hören zu wollen oder nicht, wird uns die Klassik auch weiterhin überleben, wenn auch vielleicht in einer völlig anderen Aufführungsform – da bin ich mir sicher.
Wie erleben Sie die aktuelle Zeit rund um die Pandemie?
Diese Zeit ist eine grosse Herausforderung für uns alle. Nicht nur in meiner Branche, also der Branche der Veranstaltungen jeglicher Art, nein, es betrifft jeden Menschen, vor allem auch durch eine sehr hohe psychische Belastung, der wir alle durch die grosse Unsicherheit was die Zukunft bringen wird, ausgesetzt sind.
Ich blicke zwar nach vorne, trotzdem sind die letzten 6 Monate nicht spurlos an mir vorbeigegangen, und vor allem mache ich mir grosse Sorgen um unsere ganze Klassik-Branche, denn solange wir keine unbeschwerten Konzerte spielen können, erreichen uns täglich neue Meldungen von Insolvenzen im Bereich der Veranstalter, Agenturen oder Künstlern.
Daher hoffe ich, dass dann eben doch möglichst bald ein Impfstoff voliegt, denn wir sehen ganz klar, dass die Menschen verunsichert und vielleicht sogar ängstlich sind, jetzt ins Konzert zu gehen, obwohl ja das Angebot, wenn auch eingeschränkt, wieder vorhanden ist.
Was sind Ihre Zukunftspläne?
Momentan fahre ich „auf Sicht“, wie so viele in unserer Branche. Das heisst, dass alle geplanten Konzerte im Herbst und Winter, sofern sie denn noch nicht abgesagt wurden, von Woche zu Woche beobachtet werden, in der Hoffnung, dass sie stattfinden können.
Die langfristigen Planungen laufen natürlich auch, aber man merkt schon, dass die Veranstalter momentan noch zu sehr mit der aktuellen Situation zu tun haben, sodass viel Geduld gefragt ist.
Ansonsten plane ich bereits mein nächstes CD-Projekt, welches 2021 erscheinen soll. Auch da darf man sich auf ein ganz besonderes Repertoire freuen.
Interview von Florian Schär | Classicpoint.net | 18.09.2020