Lisa Batiashvili im Interview
«Inzwischen bin ich in Deutschland mehr zuhause als anderswo.»
Lisa Batiashvili wurde als Tochter eines Geigers und einer Pianistin in Georgien geboren. Als das Land kurz vor einem Bürgerkrieg stand, übersiedelte die Familie 1991 nach Deutschland. Lisa studierte mit 12 Jahren an der Hamburger Musikhochschule und wechselte dann nach München. 1995 gewann sie als jüngste Teilnehmerin den zweiten Preis des Sibelius-Wettbewerbs in Helsinki. In Großbritannien wurde sie wenig später von der BBC in das Förderprogramm „New Generation Artists“ aufgenommen. Für besonderes Aufsehen sorgte sie durch ihre Interpretation und Einspielung des Sibelius-Violinkonzerts.
Classicpoint.ch: Sie sind aus Georgien als Kind nach Deutschland ausgewandert. Wie haben Sie diese erste Zeit im Westen erlebt?
Mit gemischten Gefühlen, denn der Unterschied in der deutschen und der georgischen Lebensart war enorm. Aber gleichzeitig sind wir der schwersten Zeit Georgiens in 1991 entkommen, und waren unseres Glückes bewusst. Wir haben wunderbare Menschen in Hamburg getroffen, die uns enorm geholfen und unterstützt haben. Langsam haben wir uns an das neue Land gewöhnt, lernten die Sprache etc. Inzwischen bin ich in Deutschland mehr "zuhause" als anderswo.
Wie ist Ihr Verhältnis heute zu Georgien?
Ich liebe meine Heimat der Kindheit. Manchmal habe ich das Gefühl, ich muss wie viele meiner Landsleute mein Land vor Bösem schützen. Ich weiss, dass es völliger Irrsinn ist, aber ich habe eine solche nostalgische und emotionale Bindung zu Georgien. In den 90ern kannte kaum jemand in Europa Georgien. Darüber war ich immer etwas traurig gewesen. Inzwischen ist es ein Land geworden, in dem es viel zu entdecken und zum bestauenen gibt. Leider gab es in den letzen Jahren einen politischen Umbruch, der die Fortschritte und die Stabilität des Landes empfindlich gefährdet. Ich mache mir deswegen Sorgen und wünsche mir eine friedliche, zufriedene, starke und konstruktive Gesellschaft.
Sie haben bei Ihrem Vater bereits mit 2 Jahren Violinunterricht erhalten. Erinnern Sie sich an diese Zeit?
Ja, ziemlich gut.
Sie haben selbst zwei Kinder. Haben diese auch bereits mit 2 Jahren von Ihnen Unterricht bekommen?
Gar nicht. Sie machen etwas Musik aber eher als eine unter vielen anderen Aktivitäten. Musik ist für sie schön und etwas natürliches aber gleichzeitig das "Ding" was Mama und Papa immerwieder von zuhause wegnimmt.
Wie stehen Sie zum Unterrichten, würde Sie eine Stelle an einer Hochschule reizen, oder möchten Sie sich lieber auf die solistische Karriere konzentrieren?
Ich habe mehrmals Angebote für eine Professur in Deutschland ablehnen müssen, denn wenn ich zuhause bin, möchte ich die Zeit meiner Familie und dem normalen Leben widmen. Vielleicht kommt der richtige Zeitpunkt etwas später.
Sie haben bei Ana Chumachenco studiert. Was ist das Besondere an Ihrem Unterricht, der ja bereits viele Stargeigerinnen hervorgerufen hat, wie z.B. Julia Fischer, Arabella Steinbacher oder Susanna Yoko Henkel?
Sie erzieht einfach die individuelle Persönlichkeit und gibt ein sicheres Fundament der Geigenschule ohne etwas auszulassen. Ausserdem ist sie eine der grosszügigsten, weisen und herzlichsten Persönlichkeiten, die mir jemals begegnet sind.
Ihr Mann ist Oboist, und Sie haben zwei Kinder. Wie organisieren Sie eigentlich die Kinderbetreuung bei den vielen Konzertreisen?
Inzwischen klappt das ganz gut. Aber es hat Jahre gedauert, bis wir die richtige Balance gefunden haben. Unsere Eltern haben uns immer sehr viel geholfen.
Magnus Lindberg hat für Sie ein Violinkonzert komponiert, welches Sie uraufgeführt haben. Wie ist es dazu gekommen und hatten Sie Einfluss beim Entstehungsprozess?
Ich hatte kaum Einfluss beim Entstehungsprozess. Ich arbeite bewusst mit Komponisten, die ich sehr mag und vertraue ihrem Talent.
Haben Sie neben dem Geigenspiel noch andere Leidenschaften?
Ja: kochen, Fussball schauen, joggen und das Leben geniessen
Interview von Florian Schär | Classicpoint.ch | 1.12.2014
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