Klavierduo Hans-Peter und Volker Stenzl im Interview
«Urlaub geht für mich nur ohne Bruder.»
Seit über 20 Jahren betreten sie gemeinsam die Bühne, sie spielen auswendig und mittlerweile so frei wie ein Solist mit vier Händen: Hans-Peter und Volker Stenzl zählen zu den besten Klavierduos der internationalen Musikszene. Die Kritik spricht von einer „magischen Verbindung zweier brüderlicher Herzen zu einer musikalischen Seele“ und lobt bei ihren Interpretationen die „einzigartige Verschmelzung von musikantischem Instinkt und messerscharfer musikalischer Intelligenz“.
Classicpoint.ch: Hatten Sie als Kinder ein besonderes Geschwisterverhältnis?
Hans-Peter Stenzl: Wir hatten das grosse Glück, in einer intakten Familie aufwachsen zu dürfen. Da wurde sowieso alles immer miteinander besprochen. Ein ganz besonderes Vergnügen war freilich der tägliche Austausch unter uns zwei Brüdern über alle aktuellen Erlebnisse.
Volker Stenzl: Wir hatten kein "besonderes" Verhältnis, aber das Aufwachsen in einer liebevollen Atmosphäre, in der die ganze Familie in allen Bereichen zusammenhalten musste, hat meinen Bruder und mich geprägt. Unsere Eltern haben ständig viel mit uns – es gibt keine weiteren Geschwister – unternommen.
Wie sind Sie zum Klavierspiel gekommen und warum gerade alle beide?
Hans-Peter Stenzl: Meine wunderbare Musiklehrerin in der 5. Klasse entzündete mit Mozarts Zauberflöte meine Liebe zur klassischen Musik und empfahl unseren Eltern, den interessierten Jungen doch Klavier lernen zu lassen (so viel zur Wichtigkeit guten Musikunterrichtes gerade auch in den Schulen). Damit sich die Anschaffung eines Instrumentes auch "lohnte", v.a. aber wegen der "gerechten Familienpolitik", begann Volker gleichzeitig mit dem Unterricht.
Volker Stenzl: Die Musiklehrerin meines Bruders hat unseren Eltern nahegelegt, den offensichtlich an klassischer Musik interessierten Jungen ein Instrument, am besten Klavier, lernen zu lassen. Als dann ein Klavier angeschafft wurde, durfte ich auch gleich mit dem Unterricht beginnen.
Wie war es früher, und wie gehen Sie heute mit der Konkurrenz-Thematik untereinander um?
Hans-Peter Stenzl: Konkurrenz bedeutet für mich grundsätzlich Ansporn – auch innerhalb unseres Duos.
Volker Stenzl: Konkurrenzdenken meinem Bruder gegenüber liegt und lag mir schon immer fern.
Sie üben, konzertieren und reisen auf Tourneen ja dauernd gemeinsam. Kommen Sie sich da manchmal auch zu nahe?
Hans-Peter Stenzl: Wir sitzen immer noch im selben Zugabteil und reden miteinander!
Volker Stenzl: Wir verbringen in der Tat sehr viel Zeit miteinander (mehr als die meisten Ehepaare). Umso wichtiger ist es, seinen persönlichen Freiraum zu schaffen. Wir
pflegen durchaus unterschiedliche Freundeskreise, und Urlaub geht für mich nur ohne Bruder.
Wo unterscheiden Sie sich hauptsächlich, und wo haben Sie Gemeinsamkeiten?
Hans-Peter Stenzl: Mein Bruder ist vier Jahre jünger, als Duo sind wir gleich alt! ;-)
Volker Stenzl: Gemeinsamkeiten gibt es zunächst einmal – aufgrund unserer Erziehung – bei den menschlichen, moralisch-ethischen Grundwerten, wobei ich mir manche Dinge mehr zu Herzen nehme als mein Bruder. Unsere pianistische Ausbildung, die zeitgleich begann, wurde zunächst von denselben Lehrern geprägt. Dadurch entstand quasi "zwangsläufig" eine breite gemeinsame musikalische Basis. Mit ein Grund, warum unser Duo trotz unserer Individualität seit so vielen Jahren Bestand hat. Unsere Unterschiede beruhen u.a. auf unterschiedlichen körperlichen Voraussetzungen, die sich natürlich auch auf das Klavierspiel auswirken. Der Sport hat in meiner Jugend mein Leben prägend mitgestaltet. Ich habe jahrelang intensiv Volleyball gespielt, es gab wöchentlich bis zu vier Trainingseinheiten, und eimal war unser Team sogar deutscher Jugendmeister. In der Zeit hat mein Bruder viele Bücher verschlungen. Heute beschränken sich meine sportlichen Aktivitäten auf Rennrad- und Mountainbikefahren sowie regelmässiges Joggen. Darüber hinaus bin ich – passiv – grosser Fussballfan, der auch, wenn es die Zeit erlaubt, ins Stadion geht. Meinem Bruder müsste ich erst einmal die Regeln erklären.
Haben Sie immer beide bei den gleichen Lehrern studiert?
Hans-Peter Stenzl: Abgesehen von meinem "Abstecher" zur künstlerischen Ausbildung bei Herbert Seidel in Frankfurt hatten wir tatsächlich – solistisch wie im Duo – dieselben Lehrer: vor dem Studium James Adams, in Stuttgart Renate Werner und in London Frank Wibaut, Hamish Milne, Stephen Kovacevich sowie Alfred Brendel.
Volker Stenzl: Wir sind altersmässig 4 Jahre auseinander, haben aber gemeinsam mit dem Klavierunterricht begonnen (beide bei James Adams). Der Beginn des Musikstudiums war dann logischerweise zeitversetzt, aber das Studium selbst auch bei derselben Professorin (Renate Werner) an der Musikhochschule in Stuttgart, allerdings zunächst mit Schwerpunkt Soloausbildung. Mein Bruder hat noch ein Aufbaustudium in Frankfurt absolviert, und von 1988-1990 waren wir beide als DAAD-Stipendiaten in London, an der Royal Academy of Music bei Hamish Milne, Frank Wibaut und Stephen Kovacevich, privat bei Alfred Brendel.
Wann haben Sie sich entschieden, voll auf die Karte Klavierduo zu setzen?
Hans-Peter Stenzl: Nach dem Gewinn des ARD-Musikwettbewerbes 1986.
Volker Stenzl: 1985 gewannen wir den internationalen Brahms-Wettbewerb in Hamburg. Der damalige Jury-Vorsitzende Alfons Kontarsky legte uns die Teilnahme am ARD-Wettbewerb 1986 ans Herz, ein für uns damals fast utopisches Unterfangen. Aber nachdem wir dann tatsächlich auch München für uns "verbuchen" konnten, war dies die Initialzündung, uns von da an gezielt und fast ausschliesslich dem Klavierduospiel zu widmen.
Würden Sie das Klavierspiel Ihres Bruders blind im Vergleich mit anderen erkennen?
Hans-Peter Stenzl: Ja!
Volker Stenzl: Ja!
Sie sind Stelleninhaber des weltweit ersten und einzigen Lehrstuhles für Klavierduo an der hmt Rostock. Gibt es viele Interessenten für diesen Studiengang?
Hans-Peter Stenzl: Wir haben seit fünfzehn Jahren eine gut gefüllte internationale Meisterklasse...
Volker Stenzl: 1999 hat die hmt Rostock das damals einmalige Aufbaustudium "Klavierduo" als Alleinstellungsmerkmal eingeführt. In diesen nun 15 Jahren haben unsere Studenten über 60 nationale und internationale Preise errungen (darunter mehrmals ARD/München, Dranoff/Miami, Bialystok/Polen, Deutscher Musikwettbewerb). Rostock ist mittlerweile weltweit als "Klavierduo-Schmiede" bekannt. Dementsprechend gross ist auch das Interesse von Duos aus der ganzen Welt.
Was muss ein(e) gute(r) Pianist(in) mitbringen, um sich für eine Piano-Duo-Spieler-Karriere zu spezialisieren?
Hans-Peter Stenzl: Zunächst natürlich einen geeigneten Partner (am besten gleichwertig, aber nicht gleichartig – so entstehen mehr "Funken"), des weiteren viel Probenzeit und einen schier endlosen Atem...
Volker Stenzl: Klavierduospiel auf höchstem Niveau ist nur möglich, wenn beide Partner eine hervorragende solistische Ausbildung haben und das Klavier souverän beherrschen, um dann die spezifischen Schwierigkeiten (u.a. flexibles geschmeidiges Zusammenspiel, klangliche Variabilität, Homogenität gepaart mit Individualität) des Duospiels in Angriff nehmen zu können. Dies ist in der Regel ein jahrelanger Prozess (mein Bruder und ich haben z.B. das Gefühl, dass unser Spiel mit zunehmenden Jahren stets genauer, trotzdem aber zugleich freier wird), deshalb muss über das Pianistisch-Musikalische hinaus auch die sogenannte "menschliche Chemie" stimmen.
Gibt es neben dem Klavierspiel auch andere Sachen, die Sie gemeinsam machen?
Hans-Peter Stenzl: Die günstigsten Zugverbindungen ausklügeln, dabei am liebsten die "offiziellen" Reiseverbindungen austricksen...
Volker Stenzl: Selten.
Interview von Florian Schär | Classicpoint.ch | 1.9.2014