Jan Lisiecki im Interview
«Musik soll Glück im Augenblick schaffen.»
Jan Lisiecki kam als Sohn polinischer Eltern zur Welt und ist in Kanada aufgewachsen. In der Schule hat er 4 Klassen übersprungen. Bereits mit 16 Jahren hat er mit Deutsche Grammophon einen Exklusivvertrag abgeschlossen. Heute ist er 20 Jahre alt und bespielt bereits alle grossen Konzertsäle.
Classicpoint.ch: Mit 5 Jahren haben Sie mit dem Klavierspiel angefangen. Mit 9 Jahren traten Sie bereits als Solist mit Orchester auf. In der Schule durften Sie 4 Klassen überspringen. Hatten Sie als Kind Kontakt mit Gleichaltrigen?
Ich glaube, ich hatte immer guten Kontakt sowohl zu Gleichaltrigen wie zu den Klassenkameraden. Das Überspringen der 4 Klassen war für mich und die Leute um mich herum keine grosse Sache. Es fühlte sich sehr normal an, und ich habe mich sehr schnell integriert.
Haben Sie sich auch mal überlegt, etwas komplett anderes zu studieren?
Musik war für mich schon ein grosser Teil meines Lebens, als ich die Wahl für ein Studium hatte. Da ich mit der Musik etwas gemacht habe, das ich liebe, habe ich nie darüber nachgedacht, etwas anderes zu studieren. Aber ich denke, dass ich auf jeden Fall auch ohne die Laufbahn als Konzertpianist in meinem Leben glücklich wäre. Ich habe viele Interessen, einschliesslich Politik, Recht und Wirtschaft.
Hatten Sie überhaupt Zeit für das Klavierstudium? Sie waren zu dieser Zeit ja bereits auf Konzerttourneeen unterwegs?
Ich hatte bereits das Klavierstudium begonnen und viele Konzerte, als ich noch in der Schule war. Das war eine Herausforderung, denn es gab für mich keine Spezialbehandlung. Ich war immer an einer regulären Schule und musste den ganzen Schulstoff mitmachen.
Nun sind Sie 20 Jahre alt. Haben Sie Pläne oder Ziele für die nächsten 10 Jahre?
Es ist natürlich unmöglich, 10 Jahre im Voraus zu planen. Ich habe zurzeit keine grossen Pläne und möchte mich einfach als Musiker weiterentwickeln und jeden Tag dieses wunderbare Leben geniessen.
Wie bereiten Sie sich am Konzerttag auf Ihren Auftritt vor?
Ich versuche, kein Ritual aufzubauen, denn bei über 100 Konzerten gibt es viele Tage, bei denen nicht alles nach Plan läuft. Das Einzige, was ich zu vermeiden versuche, ist das Handy und Internet am Konzerttag. Die Gefahr ist zu gross, abgelenkt zu werden.
Was machen Sie am liebsten unmittelbar nach einem Konzert?
Ich geniesse es immer, wenn ich das Publikum treffen kann, z.B. bei Autogrammstunden. Es ist eine der wenigen Möglichkeiten, die Leute, welche ich mit meinen Konzerten erreichen möchte, direkt zu treffen, ihre Rückmeldungen zu hören und mich für ihre in das Konzert investierte Zeit zu bedanken.
Wie gehen Sie an neue Stücke heran? Wie gehen Sie vor beim Üben?
Es hängt wirklich vom Stück ab. Einige Stücke sind so berühmt, dass ich bereits viele Ideen habe. Andere Stücke sind mir noch unbekannt. Da versuche ich, zuerst selbst das Stück zu lernen, bevor ich mir Aufnahmen anhöre, um zu erkennen, was die historischen Aufführungspraxen waren.
An was glauben Sie?
Ich glaube an die unglaubliche Kraft der Musik, und dass sie magische Momente für das Publik schaffen sollte.
Was ist Ihnen neben der Musik wichtig?
Glück im Augenblick – Musik sollte einem genau das bringen.
Gibt es eine lustige Anekdote, die Sie uns von Ihren vielen Reisen berichten können?
Es gibt jeden Monat mehrere solcher Geschichten. Alle Momente, welche erst unmöglich erscheinen oder unglücklich machen. Über diese Momente können wir Monate oder Jahre später lachen. Ich habe deshalb gelernt, solche Momente als Abenteuer zu erleben und sofort zu lachen. In der Tat, als ich diese Fragen beantworte, vernehme ich, dass mein Flug morgen nach dem Konzert gestrichen ist, und es keine Alternative gibt. Das Abenteuer wartet!
Interview von Florian Schär | Classicpoint.ch | 4.1.2016
© Foto: Mathias Bothor / DG
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