Ilya Gringolts im Interview
«Es passt gar nicht schlecht zusammen.»
Der Geiger Ilya Gringolts ist Dozent an der Zürcher Hochschule der Künste. Trotz seines jungen Alters kann er bereits auf einen breiten musikalsichen Erfahrungsschatz zurückgreifen. Er konzertiert als Solist mit führenden Orchestern in Europa, gibt viele Solo-Rezitals und ist auch oft als Kammermusiker mit seinem 2008 gegründeten Gringolts Quartett zu hören.
Classicpoint.ch: Sie haben an der Juilliard School bei Itzhak Perlman studiert. Wie war Itzhak Perlman für Sie als Lehrer?
"Mister P" war stets eine große Inspiration, musikalisch wie auch menschlich. Schon als Kind habe ich ihn im Jahr 1990 in Leningrad live erlebt. Es war ein Jubiläumskonzert zu Ehren Tschaikowskis, und es hat mich damals tief beeindruckt. Ich bewundere seine Kommunikationsfähigkeit, seine stets positive Ausstrahlung. Auch als Gourmet hat er mich während meiner Studienzeit zu vielen tollen Restaurants gebracht. Wir gingen am Schluss meines Studiums künstlerisch zwar etwas auseinander, pflegen aber bis jetzt eine freundliche Beziehung.
Sie haben den internationalen Violin-Wettbewerb "Premio Paganini” gewonnen und erhielten zwei weitere Sonderpreise, als jüngster 1. Preisträger der Wettbewerbsgeschichte und für die beste Interpretation der Paganini-Capriccios. Hat sich Ihr Leben nach diesem Erfolg verändert?
Ich war ja ein Kind als das geschah. In einem solchem Alter scheinen die Verhältnisse sich ständig zu ändern. Tatsächlich bin ich kurz nach dem Wettbewerb nach New York gegangen, um ein neues Kapitel zu beginnen. Es war aber eine logische Entwicklung. Konzerte spielen wollte ich schon immer und so kam es auch, zuerst unregelmässig und danach immer mehr.
Die BBC wählte Sie als einen von zwölf Nachwuchskünstlern für ihr New Generation Artists Programme aus. Was genau beinhaltet dieses Programm?
Ich konnte regelmäßig mit verschiedenen BBC-Orchestern spielen und Aufnahmen machen. Zudem wurden für mich Rezitals und Kammermusikkonzerte organisiert. Ich war über 2 Jahre also oft in Grossbritanien zu Gast und lernte dadurch tolle Musiker kennen, z.B. Leonard Slatkin, Ilan Volkov, Alexander Melnikov und viele mehr.
Sie haben das Gringolts String Quartet gegründet. Haben Sie alle Mitspieler selbst ausgesucht oder hat sich diese Formation anders zusammengefunden?
Ich war nur einer der Gründer! Seit meiner College-Zeit war ich fast ununterbrochen Mitglied eines Streichquartetts. Ohne das Streichquartett kann ich mir mein künstlerisches Leben kaum vorstellen. In New York habe ich im Phaedrus Quartet gewirkt, dabei kam ich mit späten Beethoven-Quartetten in Berührung. Später als ich nach Zürich kam, entstand die Idee mit meiner Frau, welche auch 5 Jahre im Amati Quartett gespielt hatte, zusammen ein Streichquartett zu gründen. In unserer heutigen Besetzung spielen wir seit Oktober 2010. Den Cellisten Claudius Herrmann und die Bratschistin Silvia Simionescu kannte meine Frau schon lange. Bei einem Treffen bei uns zuhause hatten wir zwei Beethoven-Quartette durchgelesen und dachten: Es passt gar nicht schlecht zusammen! Ein Jahr später kam unsere erste Aufnahme mit Schumann-Quartetten auf den Markt.
Sie sind Professor an der Hochschule Basel und Dozent and der Zürcher Hochschule der Künste. Wenn Sie die beiden Institutionen vergleichen, wo sehen Sie Unterschiede?
Ich habe in Basel aufgehört, als ich die Stelle in Zürich bekommen habe – beides zu machen wäre ja unmöglich. Vergleichen vermag ich aber nicht, da ich erst seit 2 Wochen in Zürich dabei bin. Ich habe meine Zeit in Basel sehr genossen, freue mich aber, näher an meinem Zuhause wirken zu können.
Sie spielen eine Stradivari von 1720, die Ihnen aus privatem Besitz zur Verfügung gestellt wird. Wie sind Sie dazu gekommen und wie ist Ihr Verhältnis zu diesem Instrument?
Es ist die schönste Geige, die ich kenne und ich habe das Glück, ihrem Besitzer ganz zufällig begegnet zu sein. Ich bin es zwar gewohnt, Geigen regelmäßig zu wechseln, hoffe aber, dass ich dieses Instrument auf Dauer spielen kann! Die Palette ist einfach bodenlos.
Sie haben sich für das Projekt „Perlen vor dem Stadelhofen“ von reportagen.com zur Verfügung gestellt und haben sich am Morgen des 18. Juli 2013 in Zürich Stadelhofen vor eine Coop-Filiale gestellt und 43 Minuten Bach-Partiten gespielt. Wie haben Sie dieses Experiment erlebt?
Ich hatte schon von einem ähnlichem Experiment in Washington mit Joshua Bell gehört, und es faszinierte mich, sowas auch selbst zu erleben. Wir wollten die Reaktion der Leute während des frühmorgendlichen Stresses beobachten. Da ergaben sich ähnliche Resultate wie bei Joshua Bell. Es waren fast ausschließlich Frauen und Kinder, die zugehört haben, die Männer sind nur vorbeigerast. Dennoch hatte ich ein befreiendes Gefühl, auf der Strasse zu spielen, trotz fehlender Natur. Aber die Energie der Stossstunde hat mir sogar geholfen!
Ist es in etwa so abgelaufen, wie Sie sich das vorgestellt haben, oder haben Sie andere Reaktionen erwartet?
Wenn ich z.B. am Sontag Nachmittag am Seeufer das Gleiche gespielt hätte, hätten die Leute wohl eher zugehört. Es war aber eben gerade nicht der Sinn. Daher haben mich die Resultate nicht überrascht. Ausserdem war ich zufrieden, mehr als Josh einkassiert zu haben :)
Sie sind noch sehr jung, was für Pläne und Wünsche haben Sie für den weiteren Verlauf Ihrer Karriere?
Ich wünsche mir eine gute Balance zwischen Familie (größte Priorität – ich habe 3 Töchter zuhause), Konzertkarriere und Unterrichtstätigkeit. Ich möchte am liebsten auf nichts verzichten müssen!
Interview von Florian Schär | Classicpoint.ch | 4.11.2013
Bild: Tomasz Trzebiatowski