Howard Griffiths im Interview
«Das Projekt war fantastisch.»
Howard Griffiths ist Generalmusikdirektor des Brandenburgischen Staatsorchesters und künstlerischer Leiter der Orpheum Stiftung. Von 1996 bis 2006 war er künstlerischer Leiter und Chefdirigent des Zürcher Kammerorchesters. Howard Griffiths lebt seit 1981 in der Schweiz.
Sie sind zurzeit Generalmusikdirektor des Brandenburgischen Staatsorchesters in Frankfurt, wohnen aber in der Schweiz. Pendeln Sie da immer hin und her?
Hauptsächlich bin ich in der Schweiz und nur ca. 12 Wochen pro Jahr in Frankfurt. In der Regel bleibe ich für Proben und Konzerte 3 bis 5 Tage, bevor ich wieder zurückreise.
Als Gastdirigent haben Sie immer wieder Kontakt mit anderen Orchestern. Was gefällt Ihnen speziell am Brandenburgischen Staatsorchester?
Als ich zum Brandenburgischen Staatsorchester gestossen bin, war die Spielweise traditionell deutsch. Meine Überzeugung, Stücke in der Tradition des Komponisten zu spielen, war für das Orchester neu. Mittlerweile hat sich das Orchester aber sehr gut angepasst. Natürlich gefällt mir auch, dass ich im Vergleich zum ZKO nun ein grosses Orchester mit grosser Besetzung zur Verfügung habe und somit auch ein ganz anderes Repertoire spielen kann.
Sie sind immer wieder für aussergewöhnliche Projekte zu begeistern, wie z.B. die “ Sinfonie der Tausend“ von Gustav Mahler, welche Sie mit dem Basler Sinfonieorchester und über tausend Mitwirkenden aufgeführt haben. War das Ihre Idee?
Nein da ist jemand auf mich zugekommen. Das Projekt war aber fantastisch. Diese Vereinigung vieler Chöre in einem Konzert war schon sehr speziell.
Sie realisieren auch erfolgreich Crossover-Projekte. Welche Projekte sind Ihnen da am besten in Erinnerung?
Den Begriff „Crossover“ benutze ich nicht so gerne. Das klingt schnell billig, als wollte man nur neue Besucher anlocken. Für mich sind es mehr „stilistische Begegnungen“, die mir Spass machen wie z.B. die Istanbul Sinfonie von Fazil Say, die wir in Dortmund uraufgeführt haben und bei der die normale Sinfonieorchesterbesetzung mit türkischen Instrumenten erweitert wird.
Ich mache auch immer wieder Programme, bei denen ich Stücke von Komponisten gegenüberstelle, welche zeitgleich, jedoch in komplett unterschiedlichen Kulturen, gelebt haben.
Oder dann Stummfilmvertonungen wie die Live-Vertonung eines Charlie Chaplin Filmes im Zirkus-Knie-Zelt: Das war ein Höhepunkt.
Weitere Projekte habe ich im Jazzbereich oder in der Zigeunermusik gemacht. Wichtig für mich ist einfach, dass es gut gemacht sein muss.
Ihre Frau ist Türkin, Sie reden auch fliessend türkisch und Sie haben mehrere Jahre dort gelebt. Wie verbreitet ist die klassische Musik in der Türkei?
Sie staunen vielleicht, aber die Klassik ist in der Türkei sehr wohl stark verbreitet. Es gibt sicher über 30 klassische Orchester. Alleine in Istanbul gibt es zwei grosse Sinfonieorchester und 4-5 Kammerorchester. Das Publikum ist im Schnitt sogar eher etwas jünger als bei uns.
Sie sind seit über 10 Jahren künstlerischer Leiter der Orpheum Stiftung. Was zeichnet diese Stiftung aus?
Als die Stiftung vor 20 Jahren gegründet worden ist, gab es für talentierte junge Solisten noch keine Möglichkeit, mit einem grossen, etablierten Orchester als Solist aufzutreten. Heute ist das anders. Die Orpheum Stiftung hat in diesem Bereich eine Pionierleistung vollbracht. Die Künstler erhalten zudem auch eine Rundumbetreuung bei ihrem Projekt.
Wer entscheidet, welche Talente berücksichtigt werden?
Es ist immer wie ein Mosaik, das sich aus vielen Einzelteilen zusammensetzt. Wir erhalten jährlich über 200 Bewerbungen. Man bekommt Empfehlungen, hört und liest über Künstler, bis man sich entschliesst – den oder die nehmen wir. Die Dirigenten schlagen natürlich auch Künstler vor. Letztlich fälle ich den Entscheid. In diesen 20 Jahren wurden wir aber von nur ganz wenigen enttäuscht. Wir können stolz sein, dass wir eine gute Nase gehabt haben. Die meisten Künstler sind heute sehr bekannt und bedanken sich auch lange danach noch bei uns für die Unterstützung.
Sie engagieren sich auch als Vermittler von klassischer Musik an Kinder und Jugendliche. Was für Projekte haben Sie da schon realisiert?
Mein neuestes Projekt ist ein Kinderbuch: Die Hexe und der Maestro, ein Orchestermärchen. Das Buch soll möglichst viele Informationen eines Orchesters beinhalten. Es ist für 5-10 jährige Kinder und kann ohne Musik oder auch mit der mitgelieferten CD-Einspielung genossen werden. Vor ein paar Wochen hatten wir die Uraufführung. Gleich nach dem Konzert haben wir über 200 Bücher verkauft. Es war ein grosser Erfolg. In Zürich werden wir am Pfingstsonntag im Mai 2013 eine weitere Aufführung mit dem Musikkollegium Winterthur machen.
Überhaupt erscheinen mir Kinderkonzerte sehr wichtig. Ich mache aber auch Orchesterprojekte, bei denen Jugendliche in einem Profiorchester mitspielen dürfen.
Zudem realisieren wir eine Reihe von Education Projekte, bei denen pro Projekt 300 Kinder beteiligt sind. So kommt Carmina Burana, die Planeten von Holst oder eine Kinderoper, basierend auf dem Rattenfänger von Hameln, zur Aufführung.
Interview von Florian Schär | Classicpoint.ch | 03.09.2012
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