David Garrett im Interview
«Heute geniesse ich das Leben.»
David Garrett ist weit über die Klassik hinaus mit seiner Crossover-Musik berühmt geworden. 70-80% seiner Konzerte sind aber immer noch klassisch. Als Dreizehnjähriger erhielt er bereits als jüngster Künstler einen Exklusivvertrag bei der Deutschen Grammophon Gesellschaft. Yehudi Menuhin bezeichnete ihn als „grössten Violinisten seiner Generation“.
Classicpoint.ch: Wie empfinden Sie heute rückblickend Ihre Kindheit, bei der kaum soziale Kontakte erlaubt waren und jede andere Musik als Klassik verpönt und verboten war?
Als Teenager hasste ich die Disziplin und störte mich an der genommenen Freiheit. Heute sehe ich es als getarnter Segen und geniesse einfach das Leben.
Mit 18 Jahren sind Sie von zuhause ausgebrochen, um in New York an der Julliard School zu studieren. Was war ausschlaggebend, dass Sie sich von zu Hause lösen konnten?
Ich habe New York immer geliebt, aber entscheidend für mich war die Gelegenheit, mit Itzhak Perlman zu studieren.
Was haben Sie heute für ein Verhältnis zu Ihren Eltern?
Ich sehe sie selten, da ich immer unterwegs bin. Aber wir sehen uns, wenn ich in Deutschland bin.
Wie würden Sie selbst Ihr Kind musikalisch fördern, wenn Sie eine Riesenbegabung entdecken würden?
Ich würde ihm erlauben, den eigenen Weg zu gehen, aber jedes Talent fördern.
In der Julliard School haben Sie Komposition und Musikgeschichte studiert. Was hat Sie dazu bewogen?
Um die ganze Musik zu verstehen, bin ich der Überzeugung, dass man so viel Wissen braucht wie möglich. Diese Studien haben für mich einen unschätzbaren Wert.
Sie haben einen internen Kompositionswettbewerb an der Schule mit der Komposition einer Fuge im Stil von Bach gewonnen. Komponieren Sie heute noch selbst oder schreiben Sie „nur“ Arrangements?
Ich komponiere immer noch neue Stücke. Celtic Rondo ist das neueste Stück, das ich mit meinem musikalischen Direktor Franck zusammen geschrieben habe. Es ist auf meiner neuen Platte drauf. Da ich schottische Wurzeln habe, wollte ich meiner Musik einen keltischen Einfluss geben.
Was hat Sie eigentlich dazu gebracht, mit Crossover anzufangen?
Ich wollte immer ein breites Spektrum an Zuhörern erreichen, von meinen Freunden, die vielleicht normalerweise keine klassische Musik hören würden, über Kinder, welche beginnen, sich mit Musik auseinanderzusetzen, bis zu älteren Fans, welche meine musikalischen Ursprünge schätzen.
Stört es Sie, dass Sie von der Klassikwelt oft auf die Crossover-Musik reduziert werden? Schliesslich spielen Sie ja 70-80% rein klassische Konzerte?
Die meisten klassischen Musiker, die ich kenne, hören Musik der heutigen Zeit. Natürlich stufen einige Leute aus der Klassikwelt die Pop/Rock-Musik als minderwertig ein. Aber alle grossen Komponisten der Vergangenheit, wie z.B. Beethoven und Bach, haben populäre Einflüsse dieser Zeit in ihre Musik integriert.
Sie werden von vielen Seiten stark kritisiert. Man wirft Ihnen vor, sich um jeden Preis zu vermarkten etc. Wie gehen Sie mit Kritik um, auf welche Leute hören Sie?
Alle Leute haben ein Recht auf eine eigene Meinung. Solche Meinungen können bis zu einem gewissen Ausmass auch neue Sichtweisen eröffnen. Aber jeder kann selbst bestimmen, was er daraus machen möchte. Der Rest ist viel harte Arbeit, um das Beste aus allen Möglichkeiten herauszuholen.
Interview von Florian Schär | Classicpoint.ch | 6.5.2013