Christian Poltéra im Interview
«Die Kammermusik war für mich schon immer zentral.»
Christian Poltéra, 1977 in Zürich geboren, hat sich international als Cellist durchgesetzt. Er tritt sowohl als Solist wie auch als Kammermusiker auf. In seiner Diskographie sind noch nicht die immer gespielten Cellokonzerte, sondern vielmehr interessante Kompositionen des 20. Jahrhunderts zu finden.
Wie würden Sie Ihr Cellospiel charakterisieren?
Um mein eigenes Spiel zu beschreiben, fehlt mir die nötige Distanz und Objektivität.
Sie haben lange bei Heinrich Schiff studiert, der Sie auch stark gefördert hat. Wie haben Sie ihn als Lehrer erlebt?
Nach dem Unterricht bei meiner ersten Lehrerin Nancy Chumachenco und einer kurzen Studienzeit mit dem viel zu früh verstorbenen Boris Pergamenschikow in Köln, hat mich das Studium bei Heinrich Schiff in Salzburg und Wien entscheidend geprägt. Wohl kaum ein anderer Cellist seines Ranges hat je so viel Zeit, Energie und Geduld in Generationen von Studenten investiert.
Unterrichten Sie auch selbst?
Ja, seit Herbst 2011 unterrichte ich eine kleine Anzahl von Studenten an der Hochschule für Musik in Luzern.
Die meisten Solisten starten ihre Karriere mit dem Gewinn grosser Wettbewerbe. Bei Ihnen scheint das ganz anders zu sein. Wollten Sie bewusst einen anderen Weg gehen?
Um inspiriert musizieren zu können, muss ich mich wohl fühlen, mich auf die Musik konzentrieren können. Dieses Gefühl hat sich bei mir in einer Wettbewerbssituation nie eingestellt. Ich bin dankbar, dass ich nie auf Wettbewerbe angewiesen war.
Warum haben Sie sich bei Ihren CD-Aufnahmen für die schwedische Firma BIS entschieden?
Heutzutage sind Plattenlabels, die nicht in erster Linie auf den schnellen kommerziellen Erfolg schielen, sondern langfristig planen, einen Künstler mit Geduld aufbauen, rar geworden. Mit BIS kann ich über musikalische Inhalte sprechen und die Aufnahmen werden mit grösster Sorgfalt und qualitativem Anspruch produziert.
Sie haben bis jetzt vor allem Stücke des 20. Jahrhunderts eingespielt. Fasziniert Sie diese Musik besonders?
Viel spannendes Repertoire für das Cello ist im 20. Jahrhundert entstanden. Mstislav Rostropovich hat alleine über 100 Cellokonzerte in Auftrag gegeben und diese auch uraufgeführt! Dazu kommen wichtige Werke von z.B. Martin, Martinu, Hindemith etc., die in der Regel vergleichsweise selten eingespielt wurden. Solche Lücken zu schliessen schien mir als sehr junger Cellist sinnvoller und angenehmer, als gleich mit Haydn oder Dvorak zu beginnen.
Werden Sie auch die bekannten und meistgespielten Konzerte für Cello einspielen oder bleiben Sie Ihrer Linie treu, kaum eingespielte Werke aufzunehmen?
Künftig sieht es nach einer Mischung aus.
Sie haben mit Frank Peter Zimmermann und Antoine Tamestit ein Streichtrio gebildet. Wie kam es zu dieser Formation?
Nach einer ersten Zusammenarbeit in Mozarts Sinfonia concertante war Frank Peter von Antoine so begeistert, dass er endlich seinen lang gehegten Traum eines festen Streichtrios realisieren wollte. Ich schätze mich natürlich überaus glücklich, dass ich dann der dritte im Bunde wurde! Die intensiven Arbeitsphasen, Konzertreisen und CD-Aufnahmen sind für uns drei mittlerweile absolute Höhepunkte, musikalisch und menschlich.
Sie betonen, dass neben Ihrer solistischen Tätigkeit auch die Kammermusik sehr wichtig ist. Könnten Sie sich auch vorstellen, die solistische Tätigkeit für ein festes Streichquartett oder Klaviertrio zu opfern, um sich voll der Kammermusik zu widmen?
Die Kammermusik war für mich schon immer zentral. Gleichzeitig möchte ich aber nicht auf die manchmal aufregenden Erlebnisse als Solist eines grossen Orchesters verzichten. Ich geniesse den Kontrast dieser Aufgaben.
Interview von Florian Schär | Classicpoint.ch | 01.03.2012
Foto: Marco Borggreve
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