Staatstheater Oldenburg begeistert mit neuem "Freischütz"
Der erste Spielplan des neuen Oldenburger Generalintendanten Georg Heckel lädt zu interessanten szenischen Erkundigungen außerhalb und innerhalb des Repertoires. Als Einstand gab es am Samstag mit Carl Maria von Webers Oper "Der Freischütz" eine mutige neue Inszenierung. Die Wahl hat in der Tat überrascht, ist aber gleichzeitig eine konsequente Umsetzung der Vorstellungen der neuen Mannschaft am Oldenburger Staatstheater.
Heckel zieht damit einen weiten Bogen. Webers Oper war das Eröffnungswerk der Oldenburger Opernsparte 1921. Beziehungsreicher geht's kaum! Wer eine biedermeierliche Aufführung mit Wald, Jägerromantik, Liebe, Happy End im Sinne eines kulinarischen Theaters erwartet hatte, wurde herb enttäuscht. Es stellt sich ja eh die Frage, ob die vorgestellte Geschichte um Männlichkeitswahn und sehnsüchtiger Frauenliebe heute nicht dazu beiträgt, längst veraltend Ordnungssysteme zu perpetuieren.
Unter der Oberfläche dieser Oper gibt es noch viel zu entdecken. Es geht Regisseur Joan Anton Rechi augenscheinlich um den Zusammenhang zwischen Kollektivierung und Vereinzelung. Um die verborgenen Tiefschichten zu enthüllen, wendet man in Oldenburg zwei Kunstgriffe an: zeitgemäße Zwischentexte und melodramatische, zusätzliche neue Musik. In einem kurzen Statement erläutert die Autorin Susanne Felicitas Wolf, was sie an diesem Stoff interessant findet: "Persönlich gereizt hat mich die Kraft des Freischütz-Stoffs ? und die vielen Ebenen und Dimensionen, die er beinhaltet: Liebe, Verantwortlichkeit (!!), Gier und Be-gier-de, Obsession, Dualität (Licht-Dunkel), Spiritualität, Traum (!!), Magie und: Spiel. Genannt habe ich die Assemblage von Elena Kats-Chernin und mir: Ein Tanz mit dem Bösen."
Markus Meyers subtile Konzeption von Bühne mit sparsamen Andeutungen von Wald und Kostümen (Steff Flächsenhaar, Licht) dokumentiert, dass man durch ein penibles Verständnis zu einer suggestiven überzeugenden Synthese aus romantischer Bilderwelt und neuzeitlich skeptischer Perspektive gelangen kann. Mit Hendrik Vestmann fand diese detailreiche Inszenierung ihre musikalische Entsprechung. Dass man nicht allzu im Wohlklang versinkt, dafür sorgen auch die Dialogmusiken, die Elena Kats-Chernin komponierte.
Das Solistenensemble, Orchester und Chor (Thomas Bönsch) überzeugten mit einer musikalisch plausiblen Leistung.
Das Publikum war begeistert, obwohl hier nicht vordergründige Erwartungshaltungen bedient werden.
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