Regula Mühlemann im Interview
« Regisseure sind die grössten Diven. »
Die Luzernerin Regula Mühlemann erobert gerade die Opernwelt im Sturm. Neben dem Opernrepertoire widmet sich Regula Mühlemann auch dem Liedgesang. Sie erhielt zahlreiche Preise.
Können Sie sich noch an Ihre erste Oper erinnern, die Sie gehört haben?
Ja, das war im Opernhaus Zürich, eine Aufführung von Le Nozze die Figaro. Ich war junger Teenager, und die kleine Rolle Barbarina hat mich speziell fasziniert. Wie sie am Anfang des vierten Aktes mit einem Picknickkorb im Arm dastand und diese wunderschöne Cavatina „l'ho perduta me meschina“ gesungen hat. Das hat mich so berührt, dass ich das unbedingt auch wollte, auf die Bühne und singen. Das war für mich ein Schlüsselmoment und hat mit Sicherheit Spuren hinterlassen.
Was machen Sie an einem Aufführungstag vor und nach einer gesungenen Oper?
Meistens schlafe ich am Morgen aus und gehe den Tag ruhig an, denn eine Aufführung verlangt doch einiges an Konzentration und Kraft. Ich erledige mehr Administrativarbeit und versuche, nicht zu viel zu singen. Wenn ich ein Konzert habe, muss ich mich schminken und die Haare machen und singe mich dann ein. Das ist fast schon ein meditatives Ritual. In der Oper ist es einfacher, da kümmern sich MaskenbildnerInnen und AnkleiderInnen darum, dass alles perfekt sitzt… Dann ist ganz wichtig, dass ich was esse. Ich muss ziemlich viel essen, direkt ca. eine Stunde vor der Vorstellung, meistens Pasta oder auch Fleisch.
Nach der Aufführung gehe ich dann mit den Kollegen ein Bier trinken. Wir reden zusammen und warten, bis sich das Adrenalin wieder abgebaut hat, damit ich dann so gegen 1:00 in der Nacht wieder schlafen kann. Ich geniesse dieses Zusammensitzen sehr.
Ihre Mutter ist Damenschneiderin und Ihr Vater Cheminéebauer, mussten sie sich an den Gedanken gewöhnen, dass Ihre Tochter eine Opernsängerin wird?
Ich musste mich selbst daran gewöhnen. Ich hatte Abitur gemacht und wusste immer noch nicht genau, was ich machen sollte. Weil Singen immer ein leidenschaftliches Hobby von mir war – ich habe auch in der Luzerner Kantorei gesungen, viele klassische Werke einstudiert, auch Solo – habe ich ein Musikstudium in Angriff genommen. Ich wusste zu Beginn aber noch nicht, dass der Weg zur Opernsängerin führen wird. Wenn man klassischen Gesang studiert, gibt es ja auch andere Möglichkeiten. Die ersten Schritte auf der Oper waren bei einer Co-Produktion mit dem Luzerner Theater. Da war ich begeistert, und es war mir klar, dass die Oper einen Bestandteil meines späteren Schaffens werden soll. Meine Eltern haben mich dabei unterstützt und sehr viel Freiraum gegeben.
Was sind momentan Ihre Traumrollen, die Sie gerne singen würden?
Ich merke, dass sich meine Stimme weiterentwickelt hat und voluminöser geworden ist. Es kommen daher neue Rollen in Frage, die ich gerne singen werde wie z.B. Susanna in Le Nozze die Figaro, Pamina in der Zauberflöte und Adina in L’elisir d’amore, Norina in Don Pascuale oder Juliette in der Oper von Gounod. Meine Traumrollen liegen eigentlich immer in dem Radius, in dem ich auch singen kann oder bald singen könnte.
Ihre Schwester hat Downsyndrom. Wie reagiert sie auf Ihren Gesang?
Sie mag vor allem Ländler und Schlagermusik. Mein Singen ist also nicht erste Wahl. Trotzdem kommt sie immer mal wieder mit und mag es, auch wenn eine ganze Oper doch lange dauert und es anstrengend ist, so lange ruhig zu bleiben.
Wie würden Sie Menschen, die noch nie eine Oper besucht haben, die Oper empfehlen?
Ich empfehle zum Einstieg die leichteren Werke, also nicht gleich mit einer Wagner-Oper starten. Gut ist auch das Lesen des Librettos vor dem Opernbesuch, damit man wirklich versteht, um was es geht. Gerade bei modernen Inszenierungen sind es oft so viele Informationen, die man verarbeiten muss, dass es von Vorteil ist, die Handlung gut zu kennen.
Haben Sie auch schon Rock und Pop gesungen und Lust auf das Singen in einer Band gehabt?
Ich habe sehr viel Pop gesungen, wollte das aber nicht studieren. Als Popsängerin sollte man selber Songs schreiben können, und das hat mich letztlich zu wenig interessiert. Die klassische Gesangstechnik hat mich viel mehr fasziniert. Ich habe mit der Zeit auch gemerkt, dass es für meine Stimme besser ist, wenn ich keine Pop- und Rock-Songs mehr singe.
Wer ist eigentlich in der Regel am meisten Diva: Sänger, Regisseur oder Dirigent?
Gute Frage (lacht). Die Zeiten, da die Sänger Diven waren, sind meiner Meinung nach vorbei. Heute muss man als Sängerin sehr anpassungsfähig sein und immer auf alle schrägen Ideen eingehen können. Auch Dirigenten können divenhaft sein, aber ich denke, die Regisseure sind die grössten Diven.
Viele Sänger haben Angst, sich zu erkälten, tragen permanent einen Schal etc. Wie ist das bei Ihnen?
Ich bin eigentlich selten krank. Meistens erwischt es mich einmal im Jahr. Ich bin allerdings der Meinung, dass man dagegen gar nicht viel tun kann. Ich versuche, ein bischen vorsichtig zu sein und meide erkältete Leute im direkten Umfeld, verhalte mich aber ansonsten wie alle anderen Menschen.
Können Sie uns ein bisschen von den unangenehmen Seiten einer Opernaufführung erzählen?
Es kann viel passieren. Man kann während einer Sterbeszene einen Hustanfall bekommen, backstage eine Allergie haben, und man kann krank sein und trotzdem auftreten müssen. Aber ansonsten sehe ich keine unangenehmen Seiten.
Wo finden Sie den Ausgleich, wie gehen Sie mit dem ganzen Stress um?
Ich brauche das Spiel mit dem Risiko ein bisschen. Ich kann auch sehr gut umgehen mit dem Stress. Trotzdem passe ich auf, dass ich nicht alles aufs Mal mache. Ich versuche auch, Zeit ohne Musik zu verbringen und treffe Freunde.
Interview von Florian Schär | Classicpoint.net | 1.4.2017
© Foto: Henning Ross / Sony Classical
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