Elisabeth Fuchs im Interview
« Ein NEBEN der Musik gibt es für mich nicht. »
Elisabeth Fuchs ist Chefdirigentin der Philharmonie Salzburg und pflegt eine rege Zusammenarbeit mit namhaften Orchestern wie den Stuttgarter Philharmonikern. Die gebürtige Österreicherin studierte Orchesterdirigieren, Oboe, Schulmusik und Mathematik am Mozarteum Salzburg, an der Paris-Lodron-Universität Salzburg und an der Musikhochschule Köln. Elisabeth Fuchs liebt es, musikalische Grenzen zu sprengen. Dies führte zu besonderen Kooperationen mit Stjepan Hauser (2Cellos), dem David Orlowsky Trio, den Klazz Brothers, Rolando Villazon, Iris Berben und vielen weiteren Künstlern. Ein großes Anliegen ist ihr die partizipative Musikvermittlung was u.a. zu Chorprojekten mit über 300 Mitwirkenden sowie zur intensiven Arbeit mit Kindern und Jugendlichen führt.
Im folgenden Interview spricht Elisabeth Fuchs über ihre Crossoverprojekte, die langfristige Vision der Philharmonie Salzburg und ihrem grossen Vorbild.
Classicpoint.net: An welche frühesten musikalischen Erlebnisse können Sie sich erinnern?
Als ich 4 Jahre alt war, an den Kaiserwalzer, von meiner Mama am Klavier gespielt. Auch hörte ich einmal als Kind „Die Kleine Nachtmusik“ und hab sie sofort geliebt und mitgesungen. Die Melodie von „Weißt Du wieviel Sternlein stehen“ kommt mir auch sofort in den Kopf, damit hatte ich übrigens mit fünf Jahren meine erste Korrepetitionserfahrung: Ich auf der Blockflöte, meine Mama am Klavier.
Sie haben erst Oboe studiert, bevor Sie Dirigierunterricht genommen haben. War eine Instrumentalkarriere auch mal ein Thema?
Eine Solokarriere an einem Instrument war kein ernsthaftes Thema, nein. Aber aus dem Nähkästchen geplaudert: Es tauchte einmal kurz die verwegene Idee nach einer Gesangskarriere auf, aber nur sehr kurz.
Sie sprengen gerne auch musikalische Grenzen. Können Sie uns von Ihren Performance- und Akrobatik-Projekten erzählen?
Ich suche im Leben und in allen meinen Projekten die Begegnung mit tollen Menschen und Künstler*innen. Mich interessiert, was sie tun, was sie bewegt, worin wir uns ähneln, wo wir uns unterscheiden. Deshalb ist es für mich nur folgerichtig, die Grenzen zwischen den Genres zu sprengen. Neben Musik und Sport fand ich die anderen Sparten wie Tanz & Akrobatik, Regie, Schauspiel & Literatur oder Architektur, Bildende Kunst & Film auch immer inspirierend für mich. Ich bin ein neugieriger Typ, aber natürlich ist das Leben zu kurz, um alle Fragen der Religionen, der Psychologie, der Weltgeschichte und Politik oder der Physik im Ganzen zu erfassen.
Ich nutze meine Zeit so gut es geht und das ist auch ein Grund, warum es in meinem künstlerischen Wirken viele Crossoverprojekte gibt. Ich liebe die Vielschichtigkeit und die Vielfalt, wenn sie Tiefgang hat. Entweder ganz oder gar nicht. 2018 haben wir eine Arena gemietet und Akrobaten und BMX Fahrer zu uns auf die Bühne geladen, das war ein Riesenerfolg, ein Next Level. 2019 haben wir eine neue Dimension mit dem Schauspieler Philipp Hochmair und seinem „Jedermann reloaded“ erarbeitet, in dem wir eine symphonische Version schufen. Ja, wir sind mutig und experimentierfreudig. Wir haben Glück, denn unser Publikum geht begeistert mit uns.
Sie möchten Musik vermitteln, indem Sie Menschen mitwirken lassen. Können Sie uns hierzu auch Ihre Projekte vorstellen?
Musik ist für mich eine große Inspirationsquelle. Diese möchte ich an mein Publikum und vor allem an junge Menschen weitergeben. Unsere Kinderfestspiele, die Schüler- und Lehrlingskonzerte gestalten wir kreativ, publikumsnahe und nachhaltig. Wir vermitteln klassische Musik altersgerecht mitreißend. Offene Ohren sind neugierig, Partizipation ist für sie eine natürliche Herangehensweise für das Verstehen von Musik.
Kurz gesagt gibt es zwei Aspekte der Partizipation bei meinen Projekten. Das eine ist das Partizipieren während eines Konzerts, wie zum Beispiel bei unseren Educationkonzerten, bei denen es für das Publikum Teile zum Mitmachen gibt. Singen, Tanzen, Bodypercussion, Mitmusizieren – damit haben wir seit vielen Jahren große Erfolge.
Ganz jung ist hingegen der von mir gegründete Chor der Philharmonie Salzburg, der begeisterte Chorsänger*innen einlädt, bei Chor-Orchesterprojekten mitzuwirken. Der Zuspruch ist enorm. Wir hatten beispielsweise bei Carmina Burana in der Salzburger Felsenreitschule über 400 Sänger*innen mit on stage, bei Opern sind es 250 Sänger*innen bei der 9. Beethoven über 350. Ich finde, es sollte insgesamt viel mehr gemeinsam gesungen werden.
Sie hatten verschiedene Dirigentenlehrer. Von wem haben Sie am meisten gelernt?
Ich denke, jede Lehrerin und jeder Lehrer haben mir sehr viel mitgegeben. Ohne Begegnung mit großen Vorbildern lernt man nichts über sich selbst und die ausgewählte Profession. Ich wünsche mir für jeden Menschen, dass er die richtigen Meister in seinem Leben trifft. Bei mir hat das Lernen noch nie aufgehört, es geht stetig weiter. Schön ist das!
Eines meiner größten Vorbilder ist meine Mama. Sie war Gastwirtin & Chefköchin. Was Management bedeutet, habe ich von ihr gelernt, beim Helfen in der Küche und in der Gaststube. Das und ihr vorbildlicher Wille zum Durchhalten haben mein Leben geprägt und bereichert.
Können Sie uns Ihr Klangideal beschreiben, das Sie mit Ihrem Orchester anstreben?
Ein Klangideal ist für mich das Ja zum großen Ganzen. Wenn ALLE einen Atem, eine Phrase und Klangvorstellung haben. Und den Klang an sich so bunt, und zwar von „zu Tode betrübt“ bis „jubelnd jauchzend“, herausspielen. So differenziert wie möglich. Das gilt für das Leben und die Musik.
Mein Orchester, die Philharmonie Salzburg, ist unbürokratisch und offen. Wir arbeiten in wendigen Strukturen, fördern junge Musiker*innen und lieben beides: Klassik und Crossover. Ein Klangideal im übertragenen Sinn passiert auch dann, wenn die Stimmung im Saal passt, zwischen mir, den Musiker*innen und dem Publikum.
Sie sind noch jung, welche Ziele setzen Sie sich für die Zukunft?
Mein Ziel im Leben war und ist, die Chancen, die sich ergeben und zu mir passen, zu ergreifen. So möchte ich meinen Weg gehen, in der Hoffnung, dass mir die guten Ideen nicht ausgehen. Vielleicht sind meine Ziele meine Visionen. Dann wäre ein eigenes Haus für mein Orchester hier in Salzburg ein großes Ziel, zum Proben und für kleine Konzerte und Workshops.
Was interessiert Sie neben der Musik?
Ein NEBEN der Musik gibt es für mich nicht, denn ich verstehe mein Leben als ein „im Fluss sein“. Musik spielt in allen Fasern meines Seins eine große Rolle. Aber wenn Sie mich fragen, was mir sonst wichtig ist, dann sind es Menschen. Natürlich meine Familie, meine Kinder und meine Freund*innen.
Interview von Florian Schär | Classicpoint.net | 2.03.2020
Foto: © Erika Mayer