Daniel Dodds im Interview
«Bin ich nicht bei der Sache, verrät diese Geige es sofort.»
Dodds ist eine inspirierende musikalische Kraft. Sein Enthusiasmus und seine fesselnde Energie auf der Bühne entlocken Mitmusikern und dem Publikum „joie de vivre“.
Konzerte haben Daniel Dodds an bedeutende Orte auf allen bewohnten Kontinenten geführt – als künstlerischer Leiter der Festival Strings Lucerne, als Solist mit Dirigenten wie Zubin Mehta, Vladimir Ashkenazy Oksana Lyniv, Alexander Briger und Stanley Dodds, sowie als Kammermusiker, dokumentiert in zahlreichen live Radio- und TV-Aufnahmen. Die Hamburger Symphoniker, das Orchestra della Svizzera italiana, das Melbourne Symphony Orchestra, das Brisbane Symphony Orchestra, das Luzerner Sinfonieorchester, das Sophia Philharmonic Orchestra, das Australian World Orchestra und die Festival Strings Lucerne gehören zu den Orchestern, mit welchen Daniel Dodds als Solist zusammengearbeitet hat.
Sie sind mit 17 von Australien in die Schweiz gezogen um das Violinstudium fortzusetzen. Wie haben Sie diese Veränderung erlebt?
Heute zähle ich die Schweiz als mein Zuhause. Ich besitze den Schweizer Pass, bin verheiratet mit einer Schweizerin, und obwohl meine beiden Kinder den australischen Pass besitzen, sind sie in Luzern aufgewachsen und durchaus in vielem schweizerisch geprägt. Ich fühle mich wohl hier und schätze vieles an diesem fantastischen und faszinierenden Land, vor allem die Schweizer Bevölkerung. Mit 17 Jahren war es aber durchaus ein Umstellung. Das Wetter, die Kultur, die Umgangsformen, alles schien anders zu sein, wie Tag und Nacht. Und dann gab es noch die Sprache! Mit den Leuten in direkten Kontakt zu treten schien mir damals eine fast unmögliche Aufgabe zu sein. Irgendwann habe ich den Versuch aufgegeben, mich bis ins kleinste Detail anzupassen und habe dabei entdeckt, dass der beste Weg mit Schweizern in Kontakt zu treten, ein lockeres Lächeln und ein spielerischer Umgang war. Wobei diese Einstellung auf der ganzen Welt gilt!
Sie sind künstlerischer Leiter der Festival Strings Lucerne. Was zeichnet dieses Orchester aus?
Vor kurzem sind die Festival Strings mit der Klavierlegende Maria João Pires mit einem reinen Beethoven Programm im ausverkauften Megaron in Athen aufgetreten. Das Publikum war ausser sich vor Begeisterung. Was zeichnet dieses Orchester aus? Am besten beantworten kann diese Frage wohl das Publikum, das die Strings einmal live gehört hat. Seitdem ich vor 10 Jahren zum Künstlerischen Leiter ernannt wurde, hat sich bei den Strings eine Kultur des gemeinsamen Musizierens entwickelt, die meiner Meinung nach einzigartig ist.
Wir lieben es aus purer Freude und Begeisterung Musik auf höchsten Niveau für das Publikum zu spielen. Diese sprühende Lebensfreude ist in höchstem Masse ansteckend für alle Anwesenden im Saal, und ist mitunter der Grund warum viele hochkarätige Solisten, wie zuletzt Maria Joao Pires, Midori, Helene Grimaud, Rudolf Buchbinder oder Khatia Buniatschwili sehr gerne mit uns auftreten. Ich selber bezeichne die Festival Strings Lucerne gerne als „my absolute all-time favorite Band!!!“.
Seit 2008 gehören Sie dem Lucerne Festival Orchestra an und treten in diesem Rahmen auch als Kammermusiker auf. Wie hat sich das ergeben und was ist für Sie speziell daran?
Nach der persönlicher Einladung von Claudio Abbado in 2008 habe ich bis zu seinem Tod 2014 wunderbare Konzerte mit dem Festivalorchester erlebt. In dieser Zeit begann ich als Künstlerischer Leiter der Festival Strings zu arbeiten, und bald war es zeitlich nicht mehr möglich beim Lucerne Festival Orchester mitzuwirken. In 2018 kam noch die Einladung als Konzertmeister des Australian World Orchestra zu wirken, einem Orchester, zusammengestellt aus den besten australischen Musiker-innen aus aller Welt. Da sind Mitglieder, Stimmführer, Solobläser sowie Konzertmeister aus den besten Orchestern der Welt: von den Berliner Philharmonikern, Wiener Philharmoniker, Los Angeles, Chicago, München, London und noch viele mehr. Diese Projekte bieten ein regelrechtes „Treffen“ von Bekannten und Kollegen, die aus allen Ecken der Welt zusammenkommen für eine kurze und intensive Zeit, um ausverkaufte und hochgefeierte Konzerte in Australien, in England wie bei den London Proms, Asien, Singapur und Indien zu spielen. Diese Konzerte spielen das Australian World Orchestra unter namhaften Dirigenten wie Sir Simon Rattle, Zubin Mehta oder Riccardo Muti. Für mich ist es immer wieder eine einmalige Erfahrung, Konzerte mit diesem Orchester zu spielen.
Sie sind auch als Solist tätig und haben mit namhaften Dirigenten wie Ashkenazy, Mehta, Abbadon zusammengearbeitet. Gibt es spezielle Erfahrung/Ereignisse, die sie in besonderer Erinnerung haben?
Als Maestro Zubin Mehta mich das erste mal als Konzertmeister erlebt hat, hat er mich sofort danach als Solist zusammen mit dem Solo-Bratschisten der Wiener Philharmoniker mit Mozart’s Sinfonia Concertante auf einer Tournee in Indien mit den Australian World Orchester eingeladen. So schnell kann es manchmal gehen. Letzten September kam dann Zubin Mehta nach schwerer Krankheit wieder nach Australien um das Australian World Orchestra zu dirigieren, wahrscheinlich zum letzten Mal. Auf dem Programm stand das „Heldenleben“ von Richard Strauss. Er wünschte sich, dass ich das berühmte Konzertmeistersolo spiele. Beim Applaus bedankte sich Zubin Mehta ganz demütig bei mir und sagte, wie besonders dieses Heldenleben für ihn war. In meiner Verlegenheit habe ich etwas Unverständliches gemurmelt. Denn ich war doch derjenige, der zu danken hatte, mit so einer Dirigentenlegende musizieren zu können.
Sie haben auch Erfahrungen mit Crossover Projekten mit Jazz, Tango und fernöstlicher Musik. Was fasziniert Sie an diesen Projekten?
Es ist die Möglichkeit mit tollen und inspirierenden Musikern aus anderen Stilrichtungen zusammen zu arbeiten, die mich immer wieder bei solchen Projekten packt. Da kann ich in andere Welten abtauchen und mich mit Musikerinnen und Musikern aus anderen Genres austauschen.
Sie sind selbst Dozent für Violine und Kammermusik an der Hochschule für Musik – Luzern. Wie würden Sie Ihren Unterrichtsstil beschreiben und was ist Ihnen wichtig beim Unterricht?
Ich weiss nicht, ob ich einen bestimmten Unterrichsstil habe. In Zentrum steht für mich beim Unterrichten der Student-in und seine-ihre Bedürfnisse. Diese können sich von Person zu Person stark unterscheiden, je nach Talent, Ehrgeiz, Entwicklung usw.
Wichtig ist mir dabei vor allem, dass die jungen Musiker ihren Weg finden, sich selber auf natürliche Art und Weise mit ihrem Instrument auszudrücken.
Sie spielen auf einer Stradivari aus dem Jahre 1717. In welcher Beziehung stehen Sie zu diesem Instrument?
Ich sehe es als ein Privileg und auch eine grosse Verantwortung auf diesem wunderbaren Instrument spielen zu dürfen. Diese Geige ist mein Arbeitswerkzeug, ich benutze sie um Musik zu machen, gleichzeitig und vielleicht noch wichtiger, sie dient als Quelle der Inspiration, sowohl klanglich als auch mental als direkte Spiegelung meiner Fantasie. Was ich zu träumen wage, gibt das Instrument ohne Verzerrung, direkt und ohne Sentimentalität zurück. Bin ich nicht bei der Sache, verrät diese Geige es sofort. Gerate ich aber ins Schwärmen und wenn ein Strom von Inspiration mich überflutet, sind die Klänge, die aus ihr kommen, reinste Poesie ohne Worte und für alle wahrnehmbar. Ein Wunder.
Welche anderen Leidenschaften neben der Musik haben Sie noch?
Neben der Arbeit als Künstlerischer Leiter der Festival Strings sowie den vielen Konzertreisen und dem Unterrichten bleibt nicht viel Zeit für Hobbies. Ich verbringe sehr gerne Zeit mit meiner Familie und dem engsten Freundeskreis. Ein Hobby von mir ist Tae Kwon Do, wo ich den Schwarzen Gürtel habe. Beim Tae Kwon Do kann ich Energie auftanken, ich bin von Kollegen im Training umgeben, die eine Hingabe und Leidenschaft zur Sache bringen, die mich immer wieder begeistert und inspiriert. Diese Begeisterung fliesst dann zurück in die musikalische Welt, in der ich mich bewege.
Interview von Florian Schär | Classicpoint.net | 01.032.2023
Foto: Dorothee Falke
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