Alexander Bader im Interview
«Es hören einfach alle Alles.»
Die Klarinette war für Alexander Bader die »Belohnung« für die bestandene Aufnahmeprüfung als Jungstudent im Fach Klavier an der Hochschule der Künste Berlin. Das silberne Glitzern auf schwarzem Holz und der weiche, warme Klang faszinierten ihn von Anfang an und so studierte er dieses Instrument neben seinem Hauptfach ebenfalls an der HdK Berlin. Prägende Lehrer waren Manfred Preis und Peter Rieckhoff. Nach dem Abschluss des Orchesterdiploms wechselte er in die Solistenklasse von Wolfgang Meyer an der Staatlichen Hochschule für Musik Karlsruhe und wurde 1990 noch während seines Examens Mitglied der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen. 2002 ging er als Erster Solo-Klarinettist an die Komische Oper Berlin; daneben spielte er regelmäßig u. a. an der Bayerischen Staatsoper München und bei den Münchner Philharmonikern. 2006 wurde Alexander Bader Mitglied der Berliner Philharmoniker. Seit 1994 widmet sich der Klarinettist auch der historischen Aufführungspraxis auf Originalinstrumenten und konzertiert regelmäßig mit Ensembles wie Concentus Musicus Wien, dem Balthasar-Neumann-Ensemble und der Akademie für Alte Musik Berlin. Seit der Saison 2006/2007 gehört Alexander Bader dem Scharoun Ensemble Berlin an.
Sie hatten zuerst Klavier studiert und abgeschlossen und erst danach Klarinette?
Als Kind spielte ich schon Klavier, das war eine grosse Liebe. Dann wurde ich Jungstudent an der Hochschule Berlin mit 11 und als Belohnung durfte ich ein zweites Instrument wählen. Ich wählte mehr zufällig die Klarinette. Ich behandelte sie zuerst stiefmütterlich, da mir das Klavier mehr bot. Dann schloss ich das Abitur ab und es ging darum, was ich studieren sollte. Ich entschied mich für Klarinette. Letztlich war es eine Sparmassnahme der Hochschule, die mich zwang die Aufnahmeprüfung zu machen. Nach bestandener Prüfung konnte ich Klavier und Klarinette gleichzeitig studieren. Doch war es auch schwer, beides zusammen zu studieren und irgendwann rutsche das Klavier vom Studium zum Hobby.
Gab es sonst auch Studenten welche parallel studierten?
Naja, ich kenne Leute, die neben der Musik auch Mathematik studierten. Doch zwei Instrumente im Hauptstudium ist sehr anstrengend und ich muss zugeben, dass das Klavierstudium immer mehr ins Hintertreffen geriet.
Spielen Sie jetzt noch Klavier?
Ja, mit Familie und den vielen Verpflichtungen mit der Klarinette wurde es natürlich schwierig, aber jetzt da die Kinder älter werden, komme ich immer mehr wieder dazu.
Sie sind Berliner Philharmoniker, was zeichnet das Orchester für Sie aus?
Das kann ich Ihnen klar sagen. Nach Erfahrungen in einigen anderen Orchestern, war ich innert der ersten Wochen so überwältigt von der Qualität jedes Einzelnen. Nicht nur die erste Geige, sondern alle waren so unglaublich gut. Wenn jemand nicht so ideal ist, dann fällt das sofort auf. Das ist mein grösster Ansporn. Das trainiert natürlich dann auch gegenseitig. Und wenn ein Fehler geschieht, dann richtet sich auch mal ein Kopf von jemandem, der sehr weit entfernt ist, weil einfach alle Alles hören.
Das generiert aber auch ganz schön Druck?
Ja klar, am Anfang war das schon schwierig. Aber dank den zwei Probejahren zeigt es sich, dass man es wirklich geschafft hat. Denn man könnte sich vielleicht noch ein Jahr verstellen, aber im zweiten Jahr zeigt sich dann das wahre Ich. Du kannst vielleicht ein Jahr alles mit viel Aufwand und Üben kompensieren aber über zwei Jahre schaffst du das nicht. Da musst du einfach auf diesem Niveau sein.
Sie sind auch beim Scharounensemble Mitglied. Was reizt Sie daran?
Das ist nächstes Jahr ein 40 Jahre bestehendes Ensemble, das sich aus speziellen Menschen bildete. Seinen Namen leitet das Scharoun Ensemble vom Architekten seines Stammhauses ab: Mit der Berliner Philharmonie hat Hans Scharoun (1893-1972) einen weltweit einzigartigen Konzertsaal geschaffen, der eine Synthese zwischen Innovation und Traditionsbewusstsein wagt und neue Wege der künstlerischen Kommunikation eröffnet – Ideale, denen sich auch das Scharoun Ensemble verpflichtet fühlt. Ich war schon als Student und Zuhörer begeistert. Und als ich dann ins Orchester kam, hatte ich Glück, dass mein Vorgänger eben aufgehört hatte und ich als Nachfolger angefragt worden bin. Wir wollen auch immer etwas nachhaltigeres kreieren, zum Beispiel mit jungen Leuten zu spielen. Die machen dann auch ihre Karriere und später trifft man sie an Konzerten in New York und anderen grossen Städten in der ganzen Welt. Am Zermatt Music Festival arbeiten wir mit den Studenten über zwei Jahre. Das verbindet einen.
Wenn Sie in Zermatt sind, kommen Sie auch dazu zu wandern?
Ja, solange man kein Morgenmuffel ist. Meist hat man dann einmal einen Halbtag frei, dann muss man halt um 4 Uhr morgens aufstehen. Wir machen aber auch eine organisierte Wanderung, immer nach der ersten Woche am Sonntag, gehen wir mit den Studenten weg. Es gibt aber auch eine Studentengruppe, welche jeden Morgen bis zur Edelweisshütte wettwandert.
Sie widmen sich auch der historischen Aufführungspraxis, wie entstand das?
Das begann während meinem Studium. Da wurde mir empfohlen, nebst dem Prüfungsmaterial auch mal noch etwas anderes zu lernen. Es wurde mir das Instrument in die Hand gedrückt und ich fing einfach an. Klar zuerst ein wenig hapernd, aber es half mir auch mit den modernen Instrumenten. Man spielt viel mehr wie ein Sänger, lernt wie man mit der Luft umgehen muss. Ich hatte dann auch schnell viele Anfragen für Auftritte, weil die Szene noch klein war. Es war aber auch ungewöhnlich, dass jemand von der Moderne sich in dieses Feld getraute. Als dann bei mir Zuhause der zweite Nachwuchs kam, trat ich ein wenig zurück. Denn man ist ja kaum zu Hause, man geht immer zuerst proben und dann noch die vielen Konzerte und Tourneen. Nach dem vierten Kind entschied ich mich, komplett zurückzutreten. Ich verkaufte alle historischen Instrumente. So kam ich gar nicht erst wieder in Versuchung. Ich war froh, das Kapitel vorübergehend geschlossen zu haben.
Wie steht es denn noch um Soloauftritte?
Das ist auch nicht mehr so präsent. Vielleicht noch ein oder zwei Auftritte pro Jahr. Aber dieses Jahr ist es speziell in Zermatt, denn wir haben eine Harfe dabei und überlegten uns noch, was wir spielen könnten. Ich habe dann das Konzert für Klarinette und Streicher von Copland vorgeschlagen, da ich das sowieso eben gespielt habe und wir haben uns darauf geeinigt.
Wenn Sie einen verstorbenen Komponisten noch etwas fragen könnten, wen würden Sie wählen und was fragen?
Ich würde Mozart wählen, müsste ihn aber glaube ich nichts mehr fragen, da er von alleine reden würde. Mozart ist für mich so einmalig und so berührend. Ist er eigentlich noch ein Mensch? Denn diese Einfachheit ist so überragend und für mich fraglich, wie man als Mensch diese Einfachheit so berührend schaffen kann.
Haben Sie noch Interessen ausserhalb der Musik?
Ich bin begeisternder Flieger von Gleitschirmen und Drachen. Ich habe 1989 meine Lizenz gemacht, doch das schlief dann auch ein wenig ein mit der Familie. Und klar gibt es Gefahren, doch reiten finde ich gefährlicher. Jetzt habe ich vor drei Jahren mit meinen grösseren Söhnen das Gleitschirmfliegen aufgenommen. Es ist sehr einfach, man hat alles im Rucksack dabei und kann einfach losfliegen, wenn man will.
Interview von Florian Schär | Classicpoint.net | 20.07.2021