Zwei Lulus an der Oper Frankfurt
Frankfurt: Nadja Loschkys aufwühlende Sicht auf Alban Bergs romantische Zwölftonoper "Lulu" aus dem Jahr 1937 ist am Sonntagabend im Frankfurter Opernhaus mit Ovationen bedacht worden. Dafür stellte die Regisseurin der ambivalenten Dauerverführerin Lulu eine Tänzerin an die Seite, die als "Anima" die verletzte Seele der von Jugend an missbrauchten Heranwachsenden symbolisierte. Psychologisch entwickelte sie daraus viele erschütternde Momente. Etwa, wenn Evie Poaros als Ur-Lulu plötzlich im Spiegel auftauchte und als mahnende Erinnerung an ihr einstiges Selbst das Zwiegespräch mit der singenden Protagonistin suchte oder wenn sie nach dem Tod Lulus wirkungsvoll wieder in dem Schlamm versank, aus dem Schigolch sie anfangs in die Manege gezerrt hatte.
In der Titelrolle kehrte Sopranistin Brenda Rae triumphal an ihr Frankfurter Stammhaus zurück und sang eine Lulu, die trotz wahnsinniger Höhepunkte mehr als "Femme fragile" und damit als Opfer der patriarchalen Verhältnisse berührte, denn als "Femme fatale" Männerleichen produzierte. Mit ihr auf Augenhöhe wusste Gastbariton Simon Neal in der Doppelrolle Dr. Schön/Jack the Ripper alle Facetten der obsessiven Beziehung zu Lulu packend zu beglaubigen. Katharina Schlipfs wuchtige, drehbare, ineinandergreifende Rundwände weckten Assoziationen an Fritz Lang-Filmwelten und sorgten für expressive 20er-Jahre-Atmosphäre.
Generalmusikdirektor Thomas Guggeis gelang es, sowohl die Todesschwere als auch den emotional flutenden Charakter der Komposition auszuformulieren, ohne die kammermusikalische Raffinesse einschließlich der Jazz-Bühnenmusiken zu vernachlässigen. Weil alle Sängerpartien bis hin zu den kleinsten Rollen mit Frankfurts hochkarätigen Ensemblemitgliedern besetzt werden konnten, war die anschließende Verleihung des mittlerweile achten Sterns der Zeitschrift "Opernwelt" als "Opernhaus des Jahres" überaus gerechtfertigt. Darunter die Auszeichnung für das "Orchester des Jahres", das sich das Frankfurter Opern- und Museumsorchester in diesem Jahr mit dem Orchester der Bayerischen Staatsoper teilt. Guggeis jedenfalls holte zum Schlussapplaus alle seine Musiker mit auf die Bühne.
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