Oratorium "Émigré" erlebt Europapremiere in Berlin
Von einer dramatischen Liebesgeschichte vor dem Hintergrund des jüdischen Exils in Shanghai in den 1930er Jahren handelt Aaron Zigmans eindrucksvolles Oratorium "Émigré". Die europäische Erstaufführung mit dem Deutschen Symphonie-Orchester DSO, Solisten und dem Rundfunkchor Berlin fand am Sonntagabend in der Berliner Philharmonie großen Beifall. Am Pult stand der Dirigent Long Yu, der auch die Uraufführung vor einem Jahr in der Jaguar Shanghai Symphony Hall geleitet hatte.
Zigman, der vor allem für seine Hollywood-Filmmusik bekannt ist, erzählt hier die Geschichte zweier Brüder, die sich nach der Reichspogromnacht 1938 aus Deutschland nach Shanghai retten können. Einer der beiden Männer verliebt sich dort in eine Chinesin, was in beiden Familien auf Widerstand stößt und an William Shakespeares Tragödie "Romeo und Julia" erinnert. Das Libretto schrieb der Pulitzer-Preisträger Mark Campbell, weitere Texte stammen von dem Songproduzenten Brock Walsh.
In den Hauptrollen waren in Berlin die Tenöre Matthew White (Otto Bader) und Arnold Livingston Geis (Josef Bader) sowie die Sopranistin Guanqun Yu (Lina Song) zu erleben.
Das multikulturelle Leben im damaligen Shanghai spiegelt sich in der opulenten, farbenreichen Musik Zigmans, die über weite Strecken Musicals und Film-Soundtracks ähnelt. In seine Komposition bezieht er auch Melodien aus Synagogen, buddhistische, christliche und jüdische Gebete, lokale Folklore und populäre Lieder mit ein.
"Émigré" ist ein Auftragswerk der New Yorker Philharmoniker und des Shanghai Symphony Orchestra mit seinem Musikdirektor Long Yu. Dessen Großvater, der Komponist Ding Shande, hatte in der damaligen Zeit mit vielen jüdischen Flüchtlingen zusammengearbeitet. Rund 20.000 Juden, unter ihnen mehr als 450 Musiker, waren bis 1941 vor der Verfolgung durch die Nazis von Europa nach Shanghai geflohen.
In den USA kam das Oratorium erstmals im vergangenen Februar im New Yorker Lincoln Center halbszenisch auf die Bühne. Weitere Aufführungen sind nun im kommenden April in Hongkong und im Juni 2025 in London geplant.
Zigman wollte nach eigenen Worten "ein Werk über den kulturellen Austausch zwischen den Jüdinnen und Juden und dem chinesischen Volk schreiben, die sie im Zweiten Weltkrieg mit offenen Armen empfangen hatten." In Shanghai waren die Flüchtlinge allerdings auch Vorurteilen der einheimischen Bevölkerung ausgesetzt, wie Zigmans Werk andeutet. Unter den mit den Nazis verbündeten japanischen Besatzern, die brutale Kriegsverbrechen an Chinesen begingen, wurden jüdische Flüchtlinge später zu Tausenden in einem Ghetto inhaftiert.
W. Michael Blumenthal, von 1997 bis 2014 Direktor des Jüdischen Museums Berlin, überlebte mit seiner Familie das Shanghaier Ghetto und emigrierte 1947 in die USA. Der verfolgten und exilierten Komponisten in der chinesischen Stadt gedachte das DSO kürzlich mit einem kammermusikalischen Gesprächskonzert in der W. Michael Blumenthal Akademie des Museums.
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