Interview mit Katharina Konradi
«5 Minuten vor dem Auftritt muss ich mir meine Zähne putzen.»
Katharina Konradi wurde in Bischkek geboren und ist die erste aus Kirgistan stammende Sopranistin im Lied-, Konzert- und Opernfach weltweit. 2003 übersiedelte sie mit ihrer Familie nach Hamburg. Die Sopranistin studierte bei Julie Kaufmann in Berlin sowie bei Christiane Iven in München. Wichtige künstlerische Impulse erhielt sie außerdem in Meisterklassen von Helmut Deutsch und Klesie Kelly-Moog. Katharina Konradi war Gewinnerin des Deutschen Musikwettbewerbs 2016 sowie Stipendiatin der BBC im New Generation Artists Programm (2018-2021).
Sie haben erst als 15-Jährige die klassische Musik kennenglernt und wollten davor Popsängerin werden. Wie ist es zu dieser Kehrtwende gekommen?
Ich habe schon als kleines Kind davon geträumt auf der Bühne zu stehen und deshalb veranstaltete ich bereits als Kind zu Hause Konzerte vor meinen Eltern, Nachbarn und Verwandten. Da ich aber als Kind in einem kleinen kirgisischen Dorf nur Zugang zu Popmusik und Volksmusik hatte, war es auch meine Wunschvorstellung eine Popsängerin zu werden. Erst als ich nach Deutschland kam, entdeckte ich für mich die fantastische Welt der Klassik und da war es um mich geschehen. Es hat mich so fasziniert die Stimme ohne Verstärkung laut klingen zu lassen. Und dazu kommt auch die Virtuosität, die die klassische Musik mit sich bringt und die unfassbare Breite an Repertoire für jeden Stimmtyp: das alles eröffnete für mich die Welt meiner Träume, in der ich nun lebe.
Wie gehen Sie vor, wenn Sie eine neue Rolle einstudieren?
Zum Glück leben wir in einer Welt voller Möglichkeiten und ich genieße es sehr, dass ich mir manchmal meine Partie und die ganze Oper, die es zu lernen gilt, anhören kann, bevor ich in die Noten schaue. Ich habe großes Glück, dass mein Mann mir bei der Einstudierung zur Seite steht, denn er kommt auch aus der Theaterwelt und war viele Jahre als Korrepetitor und Kapellmeister tätig. Ich gehöre zu den langsam Lernenden und brauche viele Lernsequenzen, in denen ich das Gelernte immer wieder in kleinen Abschnitten wiederhole. Wenn die Töne sicher gelernt sind, geht es dann zu meinem Gesangcoach, wo ich mir die Partie stimmtechnisch erarbeite und in den „Körper singe“.
Wie schwierig ist es zuhause Arbeit und Freizeit zu trennen?
Sehr schwierig, denn mein Beruf ist so zeitintensiv und übergreifend, dass wir uns oft tagelang nur mit der Einstudierung, Reiseorganisation und Planung beschäftigen. Als Künstler haben wir die Eigenverantwortung für das Vorankommen und die Weiterentwicklung, da fällt es mir manchmal sehr schwer, die freie Zeit zu „verschenken“ und ich versuche so viel wie es nur geht zu arbeiten, mich zu entwickeln, zu lernen.
Haben Sie Rituale vor einem Auftritt?
5 Minuten vor dem Auftritt muss ich mir meine Zähne putzen. Das ist eigentlich das einzig feste Ritual. Und eine gewisse Abfolge der Atemübungen nach der Atemgymnastik der russischen Opernsängerin A. Strelnikowa muss vor dem Auftritt absolviert werden. Das bringt mich wieder auf den Körper und gibt mir das Gefühl, dass jeder Winkel des Instrumentes bereit ist.
Wie gehen Sie mit Lampenfieber um?
Ich bin in einer glücklichen Lage, dass ich Lampenfieber nicht mehr kenne. Als ich noch eine Anfängerin war, konnte ich immer fest damit rechnen, dass mir vor Aufregung die ersten 2-3 Töne wegbrechen. Vor Angst war mein Hals wie zugeschnürt. und ich hatte das Gefühl, dass mein Herz aus mir raus will. Mit der Zeit lernte ich damit umzugehen. Die Arbeit am Atmen und manchmal auch autogenes Training waren mir eine große Hilfe. Auch durch vieles und regelmäßiges Auftreten ist die Angst und das Lampenfieber verschwunden.
Was gefällt Ihnen besonders gut an Ihrem Beruf und was gar nicht?
Mein Beruf hat für mich tatsächlich zwei Extreme: einerseits sehe ich die große weite Welt, bin in den schönsten Städten unterwegs und stehe mit den talentiertesten und größten Musiker*innen auf den Bühnen dieser Welt zusammen. Ich bewege mich frei in mehreren Sprachen und habe schöne Begegnungen mit Zuhörer*innen verschiedener Länder.
Andererseits bin ich sehr selten zu Hause und das Gefühl heimatlos zu sein begleitet mich ständig. Ich glaube mittlerweile, dass das zu meinem Wesen gehört, und ich muss lernen, es zu akzeptieren, denn ich liebe meine Berufung und kann mir nichts Schöneres vorstellen.
Was mir aber wirklich in meinem Beruf gar nicht gefällt, ist die ständige Abhängigkeit von der körperlichen Verfassung. Die Sänger*innen sind manchmal geplagt von Erkältungen und Viren. Jegliche Emotion spiegelt sich sofort in der Stimme wieder und wehe, man hat eine schlaflose Nacht gehabt oder hat viel zu viel mit Freunden geplaudert…die Stimme wird es einem heimzahlen.
Mit welchem Komponisten, der bereits gestorben sind, würden Sie gerne einen Tag verbringen und warum?
Die Antwort ist klar: mit Franz Schubert. Ich würde gerne erfahren, was für Energie von ihm ausging und was für ein Gefühl für Humor er hatte. Jemand, der in so einer kurzen Lebensdauer so viel komponiert hat, müsste innerlich gebrannt haben. Dieses Feuer hätte ich gerne gespürt.
Welche Leidenschaften haben Sie neben der Musik?
Ich liebe bildende Kunst, Malerei und Mode. Ich würde wahnsinnig gern mehr Zeit mit Malen verbringen. Ich male mit Acryl und möchte gere bald Ölmalerei ausprobieren. Ich liebe zu nähen und mich mit schönen Stoffen zu beschäftigen. Es ist unmöglich mich unterwegs meinen Hobbys zu widmen, denn man braucht viel Raum, Equipment und viel Zeit, um etwas in Ruhe kreieren zu können. Irgendwann in der Zukunft werde ich mehr Zeit dafür einräumen.
Interview von Florian Schär | Classicpoint.net | 01.12.2024
© Bild: Simon Pauly
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