Interview mit Julia Hagen
«Ich bin sehr streng zu mir.»
Julia Hagen wurde 1995 in Salzburg geboren und begann im Alter von fünf Jahren, Violoncello zu spielen. Der Ausbildung bei Enrico Bronzi in Salzburg sowie bei Reinhard Latzko in Wien folgten 2013 bis 2015 prägende Jahre in der Wiener Klasse von Heinrich Schiff und schließlich ein Studium bei Jens Peter Maintz an der Universität der Künste in Berlin. Als Stipendiatin der Kronberg Academy studierte Hagen darüber hinaus bis 2022 bei Wolfgang Emanuel Schmidt. Sie war Preisträgerin des internationalen Cellowettbewerbs in Liezen und des Mazzacurati Cellowettbewerbs und wurde u.a. mit dem Hajek-Boss-Wagner Kulturpreis sowie dem Nicolas-Firmenich Preis der Verbier-Festival-Academy als beste Nachwuchscellistin ausgezeichnet. Julia Hagen ist die Gewinnerin des Credit Suisse Young Artist Award 2024.
Ihr Vater ist bereits ein berühmter Cellist. Ist das nicht problematisch, das gleiche Instrument zu lernen und beruflich denselben Weg zu gehen?
Nein, da mein Vater für mich mein Vater ist und nicht der berühmte Cellist, ist das für mich kein Problem. Wir vergleichen uns ja nicht und erfreuen uns einfach an dem Spiel des Anderen. Er wollte meine Geschwister und mich als Kind zwar vor den großen Fußstapfen eines erfolgreichen Musikers schützen und bat uns, Musik nur als Hobby zu machen, das hat aber bei mir offensichtlich nicht so gut funktioniert, da Musik einfach meine große Leidenschaft war. Über meine Entscheidung ist er heute auch sehr glücklich.
In Ihrem Lebenslauf steht nirgends, dass Sie von Ihrem Vater Unterricht bekommen haben. Wollten Sie das nicht?
Nein, das hat sich schon als 5jährige herausgestellt, dass ich nicht mit meinem Papa üben will und deswegen haben wir das auch getrennt. Ich hatte weder Unterricht bei ihm, noch hat er mit mir
zuhause geübt. Das Schöne daran war, dass ich mich viel später, als Anfang Zwanzigjährige, von mir aus mit einzelnen Fragen an ihn wenden konnte. Aber er hat sich nie aufgedrängt und war einfach da, wenn ich ihn gebraucht habe.
Auch Ihre Mutter ist Musikerin. Hatten Sie auch mal noch andere Lebensläufe im Kopf oder war schon bald klar, dass Sie auch Musikerin werden?
Hätte ich mir zum Beispiel als Jugendliche die Hand verletzt, hätte ich Geschichte studieren wollen.
Sie sind die Gewinnerin des Credit Suisse Young Artis Award 2024. Wie wichtig ist dieser Gewinn für Sie, was bedeutet er?
Für mich ist das eine unglaubliche Ehre! Ich habe als Kind mitbekommen, wie Sol Gabetta den Preis verliehen bekommen hat. Schon damals merkte ich, was das für eine besondere Auszeichnung ist. Meine Vorgänger sind große musikalische Vorbilder von mir und mit den Wiener Philharmonikern aufzutreten ist ein absoluter Traum! Ich wohne ja in Wien und gehe liebend gerne in ihre Konzerte. Mit ihnen auf der Bühne stehen zu dürfen ist ein riesengroßes Geschenk. Also alles in allem: ja, der Preis bedeutet mir viel und ich freue mich riesig, dass ich die neue Preisträgerin sein darf.
Sie werden als Preis mit den Wiener Philharmonikern unter der Leitung von Christian Thielemann als Solistin auftreten können. Dürfen Sie das Stück selbst auswählen?
Generell habe ich freie Wahl, was das Repertoire betrifft, aber es wird natürlich mit Christian Thielemann und dem Lucerne Festival abgestimmt, da die Planungen für das Jahr 2024 ja schon abgeschlossen waren und so manche Werke schon „vergeben“ waren.
Wie streng sind Sie mit sich selbst?
Ich bin sehr streng zu mir und das ist definitiv ein Punkt, an dem ich an mir arbeite. Ich finde es zwar einerseits wichtig, sich selbst immer zu fordern, sich verbessern zu wollen, aber genauso wichtig ist es die eigene Leistung anzuerkennen und auch mal stolz auf sich zu sein, anstatt sich immer nur über den einen kleinen Fehler zu ärgern.
Welche Musik berührt Sie am meisten?
Die, die von Herzen kommt. Bei der man spürt, dass der Interpret wirklich seine ganzen Emotionen hineinsteckt und mit Leib und Seele spielt.
Was machen Sie unmittelbar vor einem Auftritt? Gibt es eine Routine?
Das ist sehr verschieden. Manchmal mache ich absolut gar nichts, manchmal brauche ich unbedingt eine heiße Tasse Tee davor, manchmal mache ich spezielle Atem-Übungen und versuche mich so in einen losgelösten Zustand zu versetzen, manchmal möchte ich davor einfach meine Liebsten hören - also ganz unterschiedlich, je nach Zustand und Laune.
Welche speziellen Erlebnisse auf der Bühne werden Sie nie vergessen?
Das erste Konzert nach dem zweiten langen Lockdown. Der Wunsch, Musik wieder teilen zu können war so unfassbar groß und das Erlebte auf der Bühne so überwältigend, dass mir nach den Monaten des nicht-Spielens beim Schluss-Applaus einfach nur noch die Tränen runtergekullert sind.
Welche Leidenschaften haben Sie neben der Musik?
Mir geben Menschen Energie, ich male gerne (wenn auch nicht gut), ich liebe es mit unserem Hund raus in die Natur zu gehen, mal zu faulenzen, Ski zu fahren, Whiskey sour zu trinken.
Interview von Florian Schär | Classicpoint.net | 01.02.2024
Photo: Simon Pauly
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